Tanja Seipp ist Inhaberin von Laufgut Müller in Nidda. Vor allem die letzten Jahre haben ihr gezeigt: Es lohnt sich auch mal neue Wege zu gehen. Dabei nimmt seit Dezember auch die neue App „Regyonal“ einen Platz ein.
Der SABU sprach mit Tanja Seipp über diese Neuentwicklung aus der Region sowie weitere (Online)-Initiativen Ihres Geschäfts und der Einzelhändler in Nidda.
Mit der App Regyonal ist in Ihrer Region ein Angebot entstanden, das der Handel überregional nutzen kann. Wie funktioniert die App?
Jeder Ort und jeder Händler kann mitmachen. Die App generiert regionale Anrufe: Der Kunde lädt sich die App auf sein Handy, sucht z. B. Herrenschuhe und klickt auf „Suchanfrage stellen“. Regionale Händler werden kontaktiert bzw. angerufen. Der Händler, der Zeit hat und rangeht, kann den Kunden abfangen. Es kann anschließend eine Videoberatung durchgeführt werden und so ganz unkompliziert gezeigt werden, welche Artikel vorrätig sind und abgeholt werden könnten.
Ich hatte jetzt schon ein paar Anrufe. Man muss schnell sein: Es kommt vor, dass ich dran gehe und der Anruf ist schon angenommen. Dann habe ich halt Pech gehabt.
Wie ist die Resonanz auf die App?
Die App-Betreiber hatten zu Weihnachten viele Anfragen zu Schmuck oder Parfümerie-Artikeln. Schuhe waren zu Weihnachten nicht der Renner. Aber die App soll ja nicht nur über Weihnachten, sondern das ganze Jahr laufen. Es ist ein neues Medium. Man muss sich auch mal in andere Richtungen orientieren. Heutzutage darf man nicht so festgefahren sein, nach dem Motto „das war schon immer so“. Das gibt es heute nicht mehr. Man muss alles ausprobieren, was geht. Ich verkaufe gut über meinen Whatsappstatus und mache Facebook und Instagram Werbung. Dass das Erfolg verspricht, hätten viele vor ein paar Jahren auch nicht gedacht.
Neben dem Verkauf über soziale Medien entstand ja für Nidda auch ein eigener Online-Shop. Die Initiative von Niddashop24 ging von einer kleinen Gruppe von Händlern aus. Wie ist es dazu gekommen?
Das war direkt am ersten Tag des ersten Lockdowns. Im Ort habe ich einen Kollegen, der ein Brautmodengeschäft betreibt. Wir werden von der gleichen Person im Marketing unterstützt. Für uns war klar: Wir wollen online gehen. Zu Beginn waren zwei einzelne Online-Shops geplant, bis uns die Idee kam, einen gemeinsamen Shop anzugehen. Kurz darauf kamen wir mit einer weiteren Händlerin für Damenoberbekleidung ins Gespräch und sie kam spontan mit. So saßen wir dann zu dritt zusammen und haben mit dem Marketing-Experten gesprochen. Es war natürlich eine große Herausforderung, mit der Gründung einer GbR sowie den ganzen rechtlichen Vorgaben, wie Datenschutz. Wir wollten ja auch sehr zügig an den Start gehen, um dem Kunden zu zeigen, dass wir weiterhin da sind und gerne bei uns bestellt werden kann.
Und damit haben Sie bestimmt bei vielen offene Türen eingerannt?
Wir haben innerhalb weniger Tage eine große Welle losgetreten, obwohl wir niemanden was erzählt hatten. „Ihr macht einen Shop?! Da wollen wir mitmachen“. Wir waren erstmal überrannt, weil wir gar nicht drauf vorbereitet waren, dass so viele mitmachen wollten. Wir haben uns dann auf unterschiedliche Möglichkeiten der Teilnahme an der Plattform geeinigt: Produkte auf der Plattform einstellen, Gutscheine verkaufen oder einfach zum eigenen Online-Shop verlinken.
Also die Händler haben es gut angenommen, wie war es denn mit den Kunden?
Im zweiten Lockdown müssen wir abwarten. Aber im ersten Lockdown haben die Kunden durchaus gekauft – am häufigsten Gutscheine zum Selbstausdrucken oder zum Zuschicken. Ich habe zum Beispiel 3 Paar Schuhe verkauft. das ist jetzt nicht der Burner. Für mich war es aber in dem Fall ein Erfolg, weil ich das Gefühl hatte, dass die Kunden sich während des Lockdowns angeschaut haben, was wir führen. Als wir wieder öffnen durften, kamen ganz viele Kunden und meinten „Den Schuh habe ich im Online Shop gesehen, habt ihr diesen denn noch in meiner Größe?“
Die Kampagne „Nidda macht glücklich“ gibt es ja auch noch. Ist denn in Ihrem Ort viel Solidarität für den Einzelhandel vorhanden?
Auf jeden Fall: Wir hatten 2018/2019 die Baustelle, wo die Stadt komplett gesperrt hat. So ist auch die Kampagne „Nidda macht glücklich“ entstanden. Ich glaube das hat uns hier in Nidda echt gerettet, weil die Solidarität dadurch entstanden ist, dass viele Gewerbetreibende mitgemacht haben. Das spiegelt sich jetzt noch wieder. Die Kunden fühlen sich verbunden mit unserer Stadt. Andere Orte fragen uns teilweise heute noch, wie wir das geschafft haben. Das war eine tolle Gemeinschaftsleistung!
Vielen Dank für die Einblicke und das Gespräch!