Die wichtigsten Punkte über Warenabschreibungen der Überbrückungshilfe III

Ob, wie und in welcher Höhe Händler Zuschüsse des Bundes für unverkaufte Winterware erhalten, hängt von vielen Faktoren ab. Steuerberater Klaus Esch von der Kanzlei AHW erklärt im Gespräch mit der TextilWirtschaft, worauf genau es ankommt.

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Eine Förderung für unverkaufte Winterware kann nur bekommen, wer 2019 einen Gewinn und 2020 einen Verlust gemacht hat.

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Seit März 2020 beschäftigt sich Esch fast ausschließlich mit den Überbrückungshilfen und den anderen Corona-Hilfeprogrammen zentral für alle Mandanten der Kölner Kanzler AHW Hunold & Partner, die mit mehr als 140 Mitarbeitern mittelständische Unternehmer nahezu aller Größen und Branchen. Mit seinem Team hat Esch  inzwischen weit mehr als 10 Mio. Euro an Hilfsgeldern beantragt.

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TextilWirtschaft: Herr Esch, unter welchen Voraussetzungen können Modehändler Abschreibungen auf Ware als Fixkosten geltend machen?
Klaus Esch:
Generell dürfen nur Unternehmen mit einem Jahresumsatz von maximal 750 Mio. Euro von dieser Regel aus der Überbrückungshilfe III Gebrauch machen, die für den Förderzeitraum einen Umsatzeinbruch von mindestens 30% nachweisen können. Dabei wird immer das gesamte Unternehmen betrachtet. Wer also während des Lockdowns schnell noch einen Online-Shop aus der Taufe gehoben hat und dadurch nur auf einen Erlösrückgang von etwa 25% kommt, hat Pech gehabt.

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Pech gehabt hat auch, wer 2019 einen Verlust gemacht hat, oder?
Ja. Denn neben dem Umsatzkriterium gibt es zwei weitere wichtige Voraussetzungen, um unverkaufte Saisonware abzuschreiben und als Fixkosten im Rahmen der Überbrückungshilfe III geltend zu machen. Erstens: Das Unternehmen muss aus seiner regulären Geschäftstätigkeit im Jahr 2019 einen Gewinn und im Jahr 2020 einen Verlust gemacht haben. Bei Firmen, die erst neu gegründet wurden, genügt der Nachweis eines Verlustes im Jahr 2020. Zweitens: Die Regel gilt nur für Artikel, die im Jahr 2020 angeschafft wurden. Die Ware muss also per 31.12.2020 auf dem Lager des Händlers gelegen haben. Das BMWi hat die Abschreibungsregel für Altware übrigens ausdrücklich nur für Einzelhändler eingeführt, nicht für Großhändler.

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Steuerberater Klaus Esch: „Die Regel gilt nur für Artikel, die im Jahr 2020 angeschafft wurden.“

 

Wie wird die Höhe der Abschreibung ermittelt?
Zunächst muss der Händler eine Inventur machen, um zu erfassen, welche Ware 2020 eingekauft, aber nicht veräußert wurde. Dann müssen die voraussichtlich zu erzielenden Verkaufserlöse dieser Ware geschätzt werden. Nur wenn die  Anschaffungskosten höher als die voraussichtlichen Verkaufserlöse sind, besteht Anspruch auf Erstattung der Kosten. Wenn ein Modehändler also Waren für im Schnitt 500.000 Euro eingekauft hat, und im Durchschnitt dafür noch 600.000 Euro erlösen kann, entfällt der Anspruch auf einen Zuschuss. Diesen gäbe es nur, wenn voraussichtlich weniger als 500.000 Euro für die Waren erlöst würden.

 

Sie sprechen von Prognosen.
Zunächst ja. Auf Basis dieser Prognosen wird auch erst der Zuschuss gezahlt – erst einmal. Später wird allerdings eine Abschlussrechnung verlangt, um zu überprüfen, zu welchem tatsächlichen Preis der Händler die Ware verkaufen konnte. Dann wird erneut die Differenz aus Einkaufspreis und Verkaufspreis über alle Warengruppen gebildet. Der Händler erhält dann entweder eine Nachzahlung oder muss zu viel erhaltene Zuschüsse zurückbezahlen.

 

Wann wird diese Schlussrechnung erstellt?
Das steht noch nicht fest. Grundsätzlich darf die Überbrückungshilfe III für den Zeitraum von Januar bis Juni 2021 bezogen werden, in bestimmten Fällen auch rückwirkend ab November 2020. Die Schlussrechnung erfolgt danach.

 

Könnte es für Händler, die dringend Liquidität brauchen, sinnvoll sein, die Winterware komplett abzuschreiben und zu entsorgen, statt sie aufs Lager zu legen und eventuell im nächsten Winter zu verkaufen?
Das könnte in diesem speziellen Fall sinnvoll sein, wobei die Prognose natürlich nachvollziehbar sein muss. Denn jeder Händler sollte bedenken, dass auch Verwertungsnachweise von den zuständigen Behörden angefordert werden. Außerdem hängt es davon ab, bis wann die Schlussrechnungen erstellt werden müssen. Je später das sein wird, desto größer ist auch das Risiko, dass spätere Verkäufe noch mit eingerechnet werden.

 

Es gibt gemäß EU-Beihilferecht Höchstbeträge für die Förderung. Wie sind diese definiert?
Vereinfacht gesagt, regelt jede einzelne Bundesverordnung einen allgemeinen Höchstbetrag für Beihilfen. Für jede einzelne Beihilfe ist wiederum geregelt, welche Bundesverordnung anwendbar ist. Wenn Sie so wollen, gibt es verschiedene Fördertöpfe und jede Beihilfe kann dann nur aus dem jeweiligen Topf bedient werden. Hat ein Unternehmen seinen Topf „ausgeleert“, können keine weiteren Hilfen beantragt werden, für die dieser Topf gedacht ist.

 

Welche „Beihilfe-Töpfe“ stehen Einzelhändlern gerade zur Verfügung?
Im Kern ist es so, dass es zwei verschieden strukturierte Töpfe gibt: Einen Topf mit max. 1 Mio. Euro an Beihilfen („Topf 1“) und einen weiteren Topf mit max. 3 Mio. Euro an Beihilfen („Topf 2“). Für die Soforthilfen, Überbrückungshilfe I, KfW-Kredite und die November- und Dezemberhilfe können Mittel aus „Topf 1“ bezogen werden, maximal also 1 Mio. Euro. Bei den KfW-Krediten ist – je nach Sachverhalt – mal der gesamte Nennwert des Darlehens und mal nur der Zinsvorteil beihilferelevant. Das errechnet die kreditgebende Bank. Für die Überbrückungshilfen II und III sowie für die sog. „November- und Dezemberhilfen plus“ müssen die Gelder grundsätzlich aus „Topf 2“ bezogen werden – maximal 3 Mio. Euro. Hier gibt es allerdings eine neue Entwicklung: Für die Überbrückungshilfe III kann wahlweise auch „Topf 1“ genutzt werden, soweit hier noch freie Mittel enthalten sind. Das kann im Einzelfall sehr interessant sein.

 

Insgesamt kann also jedes Unternehmen theoretisch bis zu 4 Mio. Euro an Beihilfen bekommen, richtig?
Ja, das ist ja erstmal eine gute Nachricht, die auch so von politischer Seite an die Öffentlichkeit kommuniziert wurde und nach wie vor wird. Allerdings steckt der Teufel im Detail. „Topf 2“ hat nämlich eigene Spielregeln, die sich von „Topf 1“ in erheblichem Maße unterscheiden. Aus dem „Topf 2“ bekommen leider nur die Unternehmen Gelder, die im jeweiligen sogenannten beihilferechtlichen Zeitraum ungedeckte Fixkosten ausweisen, also Verluste machen. Und dann sind diese Beihilfen auch auf 70% bzw. 90% der ungedeckten Fixkosten gedeckelt – je nach Unternehmensgröße.

 

Das war bis vor kurzem den wenigsten so klar, oder?
Ja, hier steckte das Detail im Kleingedruckten und wurde kaum irgendwo erwähnt. Und bei den Online-Anträgen, die wir Steuerberater ja für die Firmen machen, ist dieser Punkt auch bis heute überhaupt nicht eingearbeitet – zumindest für die kleinen Unternehmen mit bis zu 50 Arbeitnehmer:innen.

 

Sie haben vorhin erwähnt, dass bei KfW-Krediten manchmal der gesamte Nennwert auf die Hilfen aus „Topf 1“ angerechnet wird. Um welche Kredite handelt es sich hierbei?
Im Wesentlichen gibt es zwei relevante KfW-Kredite: der KfW-Schnellkredit und der KfW-Unternehmerkredit. Während der KfW-Schnellkredit stets mit seinem kompletten Nennbetrag beihilferelevant ist, gilt dies für den KfW-Unternehmerkredit nur, wenn dieser eine Laufzeit von mehr als 6 Jahren hat. Ansonsten wirkt sich lediglich der Zinsvorteil des Kredits beihilferechtlich aus. Diese werden also auf die Mittel aus „Topf 1“, aus dem die Firmen maximal 1 Mio. Euro bekommen können, angerechnet. Die Hilfen aus „Topf 2“, zu denen auch die Fixkosten aus Warenwert-Abschreibungen für Einzelhändler gehören, sind davon hingegen nicht betroffen.

 

Ab wann können Händler die Überbrückungshilfe III beantragen?
Voraussichtlich ab Mitte Februar.

 

Und wann kommt es nach Ihrer Erfahrung dann zur Auszahlung?
Legt man die Erfahrungen der Überbrückungshilfe II zugrunde, geht das recht schnell. Die Auszahlung erfolgte meist innerhalb von 3 bis 5 Bankarbeitstagen. Bei den Novemberhilfen mussten wir jedoch die Erfahrung machen, dass Abstimmungen zwischen Bund und Ländern die Auszahlungen sehr verzögert haben. Wir hoffen, dass diese Probleme im Sinne der betroffenen Unternehmer inzwischen behoben sind.

 

gelesen in:  TextilWirtschaft vom 26.01.2021 von Sarah Speicher-Utsch