Smart Signage ist die Antwort des stationären Handels auf die Fähigkeit von Webshops, Kundenwünsche mithilfe von Algorithmen vorauszusagen.
Wer weiß, wie seine Kunden ticken, kann ihnen maßgeschneiderte Angebote unterbreiten und seinen Umsatz erhöhen.
Onlinehändler profitieren längst davon, dass sie ihre Kunden sehr gut kennen – und mit jedem Klick und Kauf besser kennenlernen. Dank ausgeklügelter Algorithmen, die im Hintergrund jedes Kundenbesuchs im Webshop laufen, wissen sie, wer sich wann und wie lange welches Produkt anschaut und am Ende in den Warenkorb legt und kauft. Mit diesem Wissen können sie ihren Kunden passgenaue Angebote unterbreiten.
Sucht eine Frau etwa nach einer warmen, blauen Steppjacke, schlägt die Software ihr gleich die passende Mütze oder einen kombinierbaren Schal vor oder listet vergleichbare Jacken auf, die ihr auch gefallen könnten. Geht dieselbe Frau später wieder online, erhält sie auch auf anderen Sites wie von Zauberhand Werbebanner mit den Produkten, nach denen sie zuvor gesucht hat, die sie wieder in den zuletzt besuchten Onlineshop lotsen sollen.
Von dieser schönen, neuen Verkaufs- und Werbewelt waren stationäre Händler bislang weitgehend ausgesperrt. Das soll sich jetzt ändern: Große Displays und elektronische Preisschilder verbreiten sich im Einzelhandel und sollen zumindest einen Teil des Vorsprungs in Sachen Kundenbindung wettmachen, den die Online-Akteure bislang innehatten. So wollen Händler und Shops sogenannte Smart-Signage-Lösungen nutzen.
Eine innovative Lösung hat zum Beispiel das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen mit der Streaming-Analytics-Plattform AVARD (Anonymous Video Analytics for Retail and Digital Signage) entwickelt. Das System wertet eine Vielzahl verschiedener Datenquellen, Ereignisse und Einflussfaktoren aus. Das Herzstück bildet eine Gesichtserkennungssoftware namens SHORE (Sophisticated High-speed Object Recognition Engine): Sie erkennt Alter, Geschlecht und Gesichtsausdruck von Personen und Personengruppen in Geschäften in Echtzeit und analysiert diese Informationen in verschiedenen Formen.
„Davon profitiert zum einen der Einzelhandel durch eine verbesserte Kundenanalyse, zum anderen der Kunde durch den Schutz seiner Privatsphäre.“
Wolfgang Thieme, Fraunhofer-Institut
Die Videosensoren erkennen zum Beispiel, ob zu einem gegebenen Zeitpunkt hauptsächlich männliche oder weibliche, jüngere oder ältere, entspannte oder gestresste Kunden in einem Geschäft einkaufen. Sie erkennen auch, wie viele Kunden wie lange vor welchem Produkt stehen bleiben und ebenso, welcher Bereich nicht so gut besucht ist. Mithilfe dieser Informationen können Händler das Sortiment oder die Auslage in ihren Geschäften verbessern. Tummeln sich mehr Männer im Geschäft, kann der Händler auf Knopfdruck Elektronikangebote auf elektronische Werbetafeln spielen.
Ein allumfassendes Video- und Informationssystem klingt zunächst nach Big Brother, doch der Fraunhofer-Forscher Wolfgang Thieme gibt Entwarnung: „Es werden lediglich Statistiken und keine Bilddaten oder Bildauswertungen auf einen Rechner übertragen“, erklärt der Gruppenleiter Digitale Kamerasysteme. „Davon profitiert zum einen der Einzelhandel durch eine verbesserte Kundenanalyse, zum anderen der Kunde durch den Schutz seiner Privatsphäre“, sagt er. Durch die mit der Videoanalyse gewonnenen Details kann der Einzelhändler individueller auf die Bedürfnisse seiner Kunden eingehen und ihnen Produkte vorschlagen, die mit großer Wahrscheinlichkeit ihren Geschmack treffen. Er kann die Werbung im Geschäft auf den elektronischen Werbetafeln und Displays besser und punktueller auf seine Kunden ausrichten, sie über Angebote und neue Trends informieren und seine Produkte entsprechend platzieren.
Wie man es von Onlineshops kennt, kann der stationäre Händler auch die Preise kurzfristig bei Kampagnen oder für den Abbau von Lagerbeständen auf den digitalen Preisschildern zentral von seinem Computer aus ändern oder an Marktsituationen anpassen und direkt am Point of Sale einblenden. Auch Sonderaktionen, etwa der Verkauf von leicht verderblicher Ware, lassen sich damit steuern.
Neben der passgenauen Werbung auf den Displays sind die Händler dank der gewonnenen Informationen auch in der Lage, ihren Kunden echten Mehrwert zu bieten, wie nützliche Tipps zu den gesuchten Artikeln oder Montage- oder Pflegeanleitungen. Das erhöht nicht nur die Verkaufszahlen im stationären Geschäft und verbessert die Kundenbindung, sondern mit Smart Signage können sich stationäre Händler im zunehmenden Wettbewerb mit Webshops endlich behaupten.
gelesen in: Xing News Konsumgüter & Handel, Text: Iris Quirin