Was bedeutet Verkaufsfläche und welche Hygienekonzepte sind zu beachten?

Eine erste Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei Wolff, Göbel & Wagner zur Verständigung von Bund und Ländern in der Corna Krise vom 15.04.2020

 

Der Einzelhandel bis 800 qm Verkaufsfläche soll ab Montag wieder öffnen dürfen. Eine generelle Maskenpflicht besteht nicht, ist indes eine „Empfehlung“. Die Kontaktbeschränkungen sollen bis 3. Mai 2020 verlängert werden. Bund und Länder haben sich bei ihren Beratungen auf eine Verlängerung der Kontaktbeschränkungen verständigt. Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 qm Verkaufsfläche sollen zwar ab Montag wieder öffnen dürfen – allerdings unter strengen Hygiene-Auflagen. Auf den Straßen dürften sich außerdem keine langen Schlangen bilden, so die Bundeskanzlerin in der Pressekonferenz vom 15.04.2020. Auch Autohäuser, Fahrradhändler und Buchhandlungen können unabhängig von ihrer Größe wieder öffnen. Diese „Verständigung“ (vgl. beiliegender Beschluss) muss nun durch die Länder konkretisiert werden. Die Länder müssen insbesondere die 800 qm- Regelung nicht voll ausschöpfen, sondern können unterhalb dieser qm- Höchstgrenze bleiben. Folglich sind in den Ländern unterschiedliche qm-Bestimmungen zu befürchten.

 

VERKAUFSFLÄCHE

Wesentlich ist die Frage, was ist eine Verkaufsfläche und kann man durch „Teilsperrung“ die Verkaufsfläche reduzieren?

 

Die genaue Größe der Verkaufsfläche ist insbesondere für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Einzelhandelsbetriebes von großer Bedeutung. So sind Einzelhandelsbetriebe mit mehr als 800 m² Verkaufsfläche und mehr als 1.200 m² Geschossfläche in den meisten Baugebieten (insbesondere in Misch-, Dorf- und Gewerbegebieten) im Hinblick auf die Baunutzungsverordnung (BauNVO) nicht zulässig.

 

Anlässlich einer verwaltungsrechtlichen Streitigkeit im Lebensmitteleinzelhandel nahm das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 4 C 1.16) in dieser bauplanungsrechtlichen Streitigkeit Stellung. Demnach gilt: Grundsätzlich ist als Verkaufsfläche (im Sinne des Bauplanungsrechtes!) die Fläche innerhalb eines Verkaufsraumes zu qualifizieren, die der Abwicklung der Verkaufsgeschäfte dient. Verkaufsfläche ist diejenige Fläche, auf der Waren präsentiert und gekauft werden können. Zur Verkaufsfläche gehören damit alle Flächen eines Betriebes, die den Kunden zugänglich sind, in denen Waren angeboten werden und die mit dem Verkaufsvorgang in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen.

 

Hierzu zählen insbesondere Gänge, Flächen des Ein- und Ausgangs (sogenannter Windfang), der vom Kunden betretbare Teil des Pfandraumes, sowie die Kassenzone, einschließlich des Bereichs zum Einpacken der Waren und zur Entsorgung des Verpackungsmaterials (sogenannte Vorkassenzone). Keine Verkaufsfläche sind hingegen reine Lagerflächen, Personalräume oder auch ein Kunden-WC. Obwohl Freiflächen zur Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Einzelhandelsbetriebes beitragen können, sind sie in der Regel nicht Teil der
Verkaufsfläche. Etwas anderes gilt jedoch, wenn solche Flächen in erheblichen zeitlichen Umfang unmittelbar dem Verkauf dienen, also auf ihnen Waren angeboten oder präsentiert werden.

 

Wenn man dieses Verständnis der Verkaufsfläche zugrunde legt, so könnte man zumindest mit obiger Argumentation durch die Absperrung einer Etage im Bedarfsfall die Verkaufsfläche auf 800qm (bzw. die derzeit unbekannte qm- Landesregelung) „reduzieren“, denn dort wird nicht mehr Ware präsentiert und verkauft. Ob diese Auslegung auch von den Ländern/ Ordnungsämtern aus ordnungsrechtlicher Sicht getragen wird, ist gegenwärtig noch nicht bekannt.

 

HYGIENEMASSNAHMEN

Gemäß dem Beschluss Bund-Länder vom 15.04.2020 muss jedes Unternehmen in
Deutschland auch auf Grundlage einer angepassten Gefährdungsbeurteilung sowie
betrieblichen Pandemieplanung ein Hygienekonzept umsetzen. Ziel ist u.a. nicht erforderliche Kontakte in der Belegschaft und mit Kunden zu vermeiden,  allgemeine Hygienemaßnahmen umzusetzen und die Infektionsrisiken bei erforderlichen Kontakten durch besondere Hygiene und Schutzmaßnahmen zu minimieren. Genaue Vorgaben sind dazu derzeit nicht veröffentlicht.

 

Auf Basis der aktuellen Vorschriften, die bereits für die gegenwärtig geöffneten Geschäfte gelten, sollte folgendes mindestens umgesetzt werden können:

  • Keine langen Warteschlagen vor den Geschäften oder in den Geschäften (zum
    Beispiel vor Kassen oder in bestimmten Abteilungen) muss ein Abstand zwischen den Wartenden von mindestens 1,5 Metern gewährleistet werden.
  • Es dürfen nur so viele Kundinnen und Kunden den Laden betreten, dass ein Kundenabstand untereinander von 1,5 Metern gewährleistet werden kann.
  • Gegebenenfalls dürfen Kundinnen und Kunden nur in Abständen die Geschäfte
    betreten.
  • Der Zutritt zum Geschäft sowie das Einhalten des Abstands sollte ggf. durch
    entsprechende Sicherheitskräfte im Eingangsbereich kontrolliert werden.
  • Hygienehinweise sind am Eingang anzubringen. Für Einmaltaschentücher sind
    geeignete Behälter mit Schwingdeckel zur Verfügung zu stellen.
  • Es wird empfohlen, auf die Verwendung von Einkaufswagen und –körben zugunsten
    von Einmalbehältern oder mitgebrachten Behältnissen zu verzichten. Alternativ wird empfohlen, die Griffflächen von Wagen und Körben nach jeder Nutzung mit einem handelsüblichen Reinigungsmittel sorgfältig zu reinigen.
  • Reinigung aller „anfassbaren“ Oberflächen (Einkaufswagen, Griffe, Terminals,
    Kartenlesegeräte, Bildschirme, Schränke etc.).
  • An den Kassen und Bedientheken sollen die Kunden im Abstand von zwei Metern
    warten bis alle Waren erfasst sind und nur zum Bezahlen an die Kassen kommen. Dies kann gewährleistet werden z. B. durch farbige Markierungen am Anfang des
    Kassenbandes (Auflegen der Waren) und am Ende des Bandes (Einräumen in den
    Einkaufswagen) oder vor der Bedientheke. In dem Bereich zwischen den Markierungen sollen sich die Kunden dann nur einzeln und nur beim eigentlichen Kassiervorgang aufhalten. Wenn mehrere Kassen parallel geöffnet sind, sollten sie so gewählt werden, dass sie einen möglichst großen Abstand voneinander haben.
  • Weiterhin sollten Maßnahmen zur Schaffung zusätzlicher Distanz ergriffen werden,
    sowohl zwischen Kassenpersonal und Kunden, als auch zwischen Kunden
    untereinander. Hierzu dienen vielerorts bereits errichtete Barrieren an den Kassen aus Plexiglas oder vergleichbaren Materialien. Die Abstandhaltung durch Markierungen sollte ebenfalls umgesetzt werden.
  • Dem Kassenpersonal und Verkaufspersonal sollte Handdesinfektionsmittel zur
    Verfügung gestellt werden. Die Desinfektion von Tastatur, Touchbildschirm,
    Kartenlesegerät oder ähnlich häufig berührten Flächen ist regelmäßig und bei Bedarf (z.B. bei besonderer Verunreinigung oder Personalwechsel) notwendig.
  • Durchsichtige Trennwände, z.B. aus Plexiglas, stellen grundsätzlich eine Möglichkeit
    dar, wie Beschäftigte insbesondere an Arbeitsplätzen geschützt werden können. Durch eine bauliche Abtrennung lässt sich wirksam verhindern, dass der Luftstrom beim Husten oder direkten Ansprechen durch Kunden in Höhe des Kopfes auf den
    Mitarbeiter trifft.
  • Kontaktlose Bezahlung ist gegenüber Barzahlung und Kartenzahlung mit Pin-Eingabe zu bevorzugen.
  • Bei Barzahlung gilt: Damit das Geld nicht direkt vom Kunden an die Kassenkraft
    übergeben werden muss, werden ein kleines Tablett oder eine feste Geldablage
    empfohlen.
  • Einhaltung der allgemeinen Hygienevorgaben hinsichtlich Händewaschen, Niesen etc.
  • Abstand halten in Büros mit mehreren Arbeitsplätzen bzw. Arbeiten möglichst in
    Einzelbüros.
  • Anweisung an kranke Mitarbeiter, zuhause zu bleiben bzw. bei leichteren
    Erkältungssymptomen, sofern möglich, von zuhause zu arbeiten.
  • Einführung einer Schichtregelung mit fester Besetzung (z.B. im Lager, in
    Verkaufsstellen etc.)
  • Aufteilung von Abteilungen in zwei Teams, die abwechselnd 14-tägig im Betrieb bzw. von zuhause zu arbeiten.
  • Das Tragen von Handschuhen ist keine vorrangige Maßnahme zum Schutz vor SARSCoV-2-Viren. Auf Wunsch können jedoch den Beschäftigten und / oder Kunden etwa im Kassenbereich Einweghandschuhe zur Verfügung gestellt werden. Eine Unterweisung in die hygienische Handhabung und das regelmäßige Desinfizieren kritischer Oberflächen ist unbedingt empfehlenswert.
  • Das Bereithalten von Masken für Personal und Kunden ist förderlich.

 
WOLFF GÖBEL WAGNER
RECHTSANWÄLTE FACHANWÄLTE
Grünstr. 16, 58095 Hagen

Mitglied im ServiCon Anwaltsnetz