SABU News exklusiv: Interview mit Jutta Blocher und Stephan Krug

Es werden immer noch mehr als 80 % der Schuhe in Deutschland im stationären Handel verkauft. Für SABU Grund genug, sich intensiv mit dem Thema stationärer Fachhandel und insbesondere auch mit dem Thema Ladenbau zu beschäftigen.

SABU News initiierte hierzu ein Fachgespräch mit Jutta Blocher, Gründerin und Head of Interior Design blocher partners und Stephan Krug, Geschäftsführer SABU Schuh & Marketing GmbH.

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Jutta Blocher und Stephan Krug in den Räumen von blocher partners, Stuttgart

SABU News: Frau Blocher, blocher partners gilt heute als einer der bedeutendsten Ideengeber im Ladenbau. Sie sagen dazu „trade culture“. Was steckt dahinter?

Jutta Blocher: Wir gliedern unsere Schaffensbereiche in drei Tätigkeitsfelder: Trade culture, also Konzepte für den Handel mit Department-Stores, Shops, Flagship-Stores bis hin zu kompletten Shopping-Centern aber auch Hotels, Banken, Gastronomie, Messe- und Produktdesign. Social culture, dazu zählen wir öffentliche Gebäude, Wohnhäuser, Büros und Hybridgebäude mit Mehrfachnutzung. Und als dritten Bereich semiotic culture, den Kommunikationsbereich. Dabei haben wir uns im Bereich trade culture schon lange vom klassischen Begriff des „Ladenbaus“ verabschiedet. Unser Bestreben geht immer mehr dahin, in engem Kontakt mit dem Kunden Erlebnisräume zu schaffen. In unseren vielschichtigen Entwürfen setzen wir auf die Kraft des Storytellings. Wir verstehen unter trade culture also viel mehr als eine einfache gebaute Hülle für den Handel. Nämlich Handlungsräume, die berühren, begeistern und Kommunikation und Handel fördern.

SABU News: Herr Krug, wir leben in Zeiten zunehmender Digitalisierung. Ist der „Ladenbau“ da nicht zum „Nebenkriegsschauplatz“ geworden?

Stephan Krug: Ich kann es nur immer wieder wiederholen: Ziel unserer Digitalisierungsbe-mühungen ist es, Frequenz in die Geschäfte zu generieren. Dies geschieht heute über viele sogenannte consumer touchpoints. Das heißt, der Kunde kommt auf verschiedensten Wegen mit der Marke, dem Produkt und dem Händler in Berührung. Ein immer wichtigerer Weg ist natürlich das Internet. Unser Ziel ist es, an all diesen consumer touchpoints die Botschaft zu vermitteln: „Komm in das Geschäft, lass Dich dort beraten, probiere aus oder in unserem Fall besser an, vergleiche und kaufe dort. Mit allen Annehmlichkeiten, die nur das stationäre Geschäft Dir bieten kann.“ Aufgabe unserer Mitglieder muss es dann natürlich sein, mit der richtigen Atmosphäre dafür zu sorgen, dass der Kunde dann auch im Laden verweilt und die oben genannten „Leistungen“ des Händlers in Anspruch nimmt. Und hierfür ist der Ladenbau oder, und hier übernehme ich gerne das wording von Frau Blocher, trade culture wichtiger denn je.

SABU News: Kurze Zwischenfrage: Was ist Ihrer Meinung nach da wichtiger? Schaufenster oder Innenräume?

Jutta Blocher: Für uns ist ganz klar die Gestaltung der Innenräume wichtiger.
Stephan Krug: Ich finde ebenfalls, dass das Schaufenster an Bedeutung verloren hat. Der Kunde wird inzwischen an vielen anderen touchpoints auf das Geschäft aufmerksam gemacht. Trotzdem hat das Schaufenster als spontaner Impulsgeber nach wie vor durchaus seine Berechtigung.

SABU News: Herr Krug, neben dem reinen Schuh-Fachgeschäft werden auch Textilhäuser für Ihre Verbundgruppe immer interessante. Woher kommt das?

Stephan Krug: Heutzutage steht immer mehr der Outfitgedanke im Vordergrund. Das bedeutet, dass der Kunde meist nicht mehr nur auf der Suche nach einem Teil, also Schuhe oder Oberteil oder Hose etc. ist, sondern dass er gerne mit einem Einkauf ein komplettes Outfit zusammenstellen möchte. Mit dieser Erkenntnis kommen immer mehr Textiliten auf uns zu, die entweder schon Schuhe führen aber mit wenig Warenkompetenz oder die Schuhe neu ins Sortiment aufnehmen wollen. Mit dem richtigen Schuhsortiment sind sie dann in der Lage, den Kunden länger im Geschäft zu halten und mehr Teile zu verkaufen.

Jutta Blocher: Wir denken hier schon lange „interdisziplinär“, wobei der Textilbereich wesentlich komplexere Aspekte für sich beansprucht. Denn Schuhe komplettieren erst das Outfit, das sich jeweils aus verschiedenen Kleidungsstücken zusammensetzt. Unser Blick richtet sich hier vor allem auf den Department Store – das klassische Kaufhaus gibt es so ja nicht mehr. Größe wird aus Sortimentstiefe generiert. Der Department Store-Kunde wünscht sich große Angebotsvielfalt und alles an einem Ort. Im Gegensatz dazu steht der Boutique-Kunde, der dem Inhaber oder der Inhaberin bei der Vorauswahl vertraut.

SABU News: Wir sprechen immer von Erlebniswelten. Was verstehen Sie darunter und wie wichtig sind diese für den Erfolg Ihrer Klientel?

Stephan Krug: Nun, hier muss man sicherlich zwischen den verschiedenen Konzepten differenzieren. Da reicht bei unseren Mitgliedern die Bandbreite vom großflächigen, preisbetonten Fachmarkt für die ganze Familie bis hin zum exklusiven Fachgeschäft mit Boutique-Charakter. Bei dem einen steht die direkte Kundenansprache im Vordergrund, beim anderen das exklusive Einkaufserlebnis. Wichtig ist für den einen wie für den anderen aber, das Einkaufsumfeld, also die Erlebniswelt, zu schaffen, die die Identität seines Geschäftes widerspiegelt und seinen Kunden die Einkaufsatmosphäre verschafft, in der er sich „zu Hause“ fühlt und dann auch kauft.

SABU News: Frau Blocher, wie ist Ihre Herangehensweise, um diese Erlebniswelten zu schaffen?

Jutta Blocher: Um es mit einem Wort zu sagen: transdisziplinär. Ich will das erläutern: Schöne Warenträger allein funktionieren heute nicht mehr. Wie anfangs schon erwähnt, steht heute das Storytelling, also das Erzählen einer „Geschichte“ im Mittelpunkt. Der Kunde soll sich wiederfinden, genauso muss die DNA einer Marke oder des Stores ablesbar sein. Voraussetzung ist, dass der Händler die Wünsche des Kunden analysiert hat, sie womöglich besser kennt als er selbst. Dazu arbeiten wir eng mit unseren Kunden zusammen und versuchen, in vielen Workshops gemeinsam die verschiedensten Betrachtungs- und Herangehensweisen zu beleuchten. Im Haus entsteht dann ein Konzept aus der
Zusammenarbeit verschiedenster Disziplinen heraus. blocher partners, das sind nicht nur Architekten, Innenarchitekten und Visual Merchandiser. Zu unseren Teams gehören genauso Soziologen, Kommunikationsexperten und Marketing-Spezialisten.

SABU News: Immer wieder und immer öfter wird von „verlängerter“ Ladentheke und 24/7 Schaufenster gesprochen. Herr Krug, rückt da nicht das klassische Ladengeschäft in den Hintergrund?

Stephan Krug: Die verlängerte Ladentheke und der Showroom im Netz sind heute unverzichtbar, um mit dem Online-Handel mitzuhalten. Der Kunde ist es inzwischen gewöhnt, 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche und 365 Tage im Jahr im Netz unterwegs zu sein und dort eine unglaubliche Vielfalt und Sortimentstiefe vorzufinden. Hier muss das stationäre Geschäft zu den gleichen Zeiten und mit dem gleichen Angebot präsent sein und darüber hinaus noch die Vorteile (in der Regel zusätzliche Serviceleistungen und Erlebniswelten) präsentieren, die den Kunden dazu bewegen, doch ins stationäre Geschäft zu kommen. Im Geschäft spielt dann die verlängerte Ladentheke eine immer bedeutendere Rolle, die es dem Händler ermöglicht, seine Sortimentsbreite und -tiefe deutlich zu erweitern. Als Verbundgruppe ist es heute eine unserer Hauptaufgaben, für die schnelle und professionelle Umsetzung zu sorgen. Daran arbeiten wir mit Hochdruck.

SABU News: Stichwort „Digitalisierung“. Frau Blocher, inwieweit beeinflusst die Digitalisierung Ihre Arbeit?

Jutta Blocher: Wir setzen Digitalisierung dort ein, wo sie Sinn macht und einen echten Nutzen bringt. Zentrales Thema ist die Verknüpfung von Online- und Offline-Kanälen. Das Warenhaus kann Zusatzgeschäfte generieren, indem es sich als Marktplatz, als stationäre Bühne für Online-Händler etabliert. Auch das Thema Big Data nimmt eine wichtige Rolle ein. Zum Beispiel bei der Erfassung und Analyse von Kundenbewegungen innerhalb eines Geschäfts. Selbstbedienungskassen werden in Zukunft nicht mehr wegzudenken sein. Und ein weiterer Einsatzbereich ist die digitale Gestaltung von Lichtstimmungen, sei es in der Dekoration oder in Umkleidekabinen. Gute Ladengeschäfte sind reale Erlebniswelten. Und als solche soll der Kunde sie auch empfinden.

SABU News: Herr Krug, welche Anforderungen stellen Sie an einen modernen Ladenbau, den Sie Ihren Mitgliedern empfehlen können?

Stephan Krug: Unsere Mitglieder, das sind 850 Individualisten. Jeder mit anderen Ideen, Wünschen, Kunden und DNA seines Geschäftes. Ein moderner Partner für die Gestaltung der Geschäftsräume muss also zuallererst einmal in der Lage sein, zuzuhören, zu analysieren und auf Basis der individuellen Anforderungen und Möglichkeiten die richtige Hilfestellung zu geben.

SABU News: Frau Blocher, Herr Krug, wie wichtig wird das stationäre Geschäft in 10, 20 und 50 Jahren sein? Und wie wird es aussehen?

Jutta Blocher: Unsere Hauptaufgabe wird darin bestehen, den Bogen zwischen analoger und digitaler Welt zu spannen. Ich denke, auch zukünftig werden wir noch inspirierende Geschichten zu erzählen haben. Die den Kunden berühren, ihn abholen, die an allen Consumer Touchpoints gleich gestaltet sind, um Vertrauen zu schaffen. Denn Vertrauen ist die wichtigste Basis für erfolgreiches Handeln. Heute und in 50 Jahren, wenn meiner Meinung nach die Menschen immer noch gerne in tatsächliche Ladengeschäfte gehen, um Einkaufserlebnisse zu genießen.

Stephan Krug: Für uns als Verbundgruppe ist die übergeordnete Frage fast noch wichtiger: Was passiert mit den Städten? Was passiert mit der Infrastruktur? Was passiert mit dem Angebotsmix? Wir müssen unsere Mitglieder dazu motivieren und sie dabei unterstützen, permanent in die Wertigkeit des Einkaufserlebnisses zu investieren um ihren Kunden heute, in 10, 20 und 50 Jahren das zu geben, was sie immer brauchen: Orientierung. Und denen, denen dies gelingt, sage ich für die nächsten 10, 20 und 50 Jahre Erfolg für ihr stationäres Ladengeschäft voraus.

SABU News: Frau Blocher, Herr Krug, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

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