Mit dem Pareto-Prinzip können Sie Effizienzkiller in Ihrem Unternehmen aufspüren. Unsere Experten erklären, wie’s geht, was 80/20 damit zu tun hat – und in welche Falle Sie nicht tappen sollten.
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Was ist das Pareto-Prinzip?
Mit nur 20 Prozent Einsatz kann man in vielen Fällen ein 80-prozentiges Ergebnis erreichen – das ist wohl die kürzestmögliche Definition des Pareto-Prinzips. Wer ein 100-prozentiges Ergebnis erreichen will, muss für die restlichen 20 Prozent ungleich mehr Aufwand (nämlich 80 Prozent) erbringen.
Daraus lässt sich eine Regel ableiten, die auf fast alle Lebensbereiche anwendbar ist: Für meinen Erfolg sind nur einige wenige Dinge wirklich wichtig. Und diese wenigen sollte ich nie aus dem Blick verlieren.
Wer hat das Pareto-Prinzip entwickelt?
Der italienische Ökonom Vilfredo Pareto entdeckte Ende des 19. Jahrhunderts ein statistisches Ungleichgewicht: Er fand heraus, dass 20 Prozent der Familien in Italien 80 Prozent des Vermögens besaßen. Er schlussfolgerte daraus, dass Banken, die effizient arbeiten wollen, sich am besten auf diese 20 Prozent konzentrieren. Das 80/20-Muster tauchte bei Paretos Untersuchungen immer wieder auf – egal, ob er Daten aus früheren Zeiten oder anderen Ländern untersuchte. Jahrzehnte später untermauerten Wissenschaftler wie George K. Zipf und der US-Ingenieur Joseph Moses Juran das Phänomen. „Es gibt viele weitere Belege dafür – die Verteilung der Verbrechen bei Kriminellen, die Verteilung von Unfällen bei gefährlichen Vorgängen“, schreibt Juran 1951.
Wie können Unternehmer das Pareto-Prinzip anwenden?
Richard Koch, Unternehmer, Investor und Strategieberater, hat das 80/20-Prinzip in seinen Bestsellern weltweit populär gemacht. Laut Koch sei die 80/20-Regel „wie geschaffen für diejenigen, die den Gewinn steigern und den damit verbundenen Aufwand und die Kosten senken wollen, und denen es vor allem um Effizienz geht“. Setze man es konsequent um, könne man weniger arbeiten und gleichzeitig mehr verdienen. Das Pareto-Prinzip dient hierbei als Faustregel: Die Zahlen 80 und 20 sind nur ein Richtwert, keine in Beton gegossenen Messwerte.
Wie sieht das konkret aus? Im Idealfall setzen Unternehmer Ressourcen dort ein, wo sie den größten Nutzen erzielen. Koch ist davon überzeugt, dass sich Gewinne um ein Vielfaches steigern ließen, wenn man mehr von den besten Produkten verkauft, mehr gute Mitarbeiter einstellt oder mehr von den besten Kunden anlockt. Darum sollten Unternehmer als erstes analysieren, was den größten Gewinn abwirft und was nur Zeit und Geld kostet. Folgende Beispiele zeigen, wie es geht:
Die richtigen Kunden finden
Rund 80 Prozent des Umsatzes stammen in der Regel von 20 Prozent der Kunden. Koch ist sicher, dass die Treue der Hauptkunden das Fundament einer rentablen Firma ist.
Unternehmer sollten darum herausfinden, an welchen Kunden sie mit wenig Aufwand am meisten verdienen. Und dann alles tun, um die Wünsche dieser Kunden zu erfüllen. Neue Produkte oder Dienstleistungen können sie direkt auf diese wenigen zuschneidern.
Und die anderen, die nur wenig kaufen? Kochs Tipp ist radikal: Ignorieren Sie sie. Bieten Sie stattdessen den Hauptkunden den bestmöglichen Service, um sie langfristig zu binden. Natürlich sollten Unternehmer dabei im Auge behalten, dass das Ganze kein statischer, sondern ein fließender Prozesss ist. Märkte und Kundenverhalten ändern sich. Es gilt also jedes Jahr aufs Neue, nach den 20 Prozent zu suchen.
Auf die richtigen Produkte setzen
Auch bei Produkten lässt sich das Pareto-Prinzip anwenden: Mit 20 Prozent der Produkte werden in der Regel 80 Prozent des Umsatzes erzielt. Als Unternehmer sollten Sie darum herausfinden, welche Ihre umsatzstärksten Produkte sind – und ihre Verkaufsanstrengungen auf diese konzentrieren. Koch empfiehlt, dabei folgende Fragen zu berücksichtigen:
- Wie viel Verkaufszeit muss ich für das Produkt aufwenden?
- Wie viel Werbung muss ich machen, damit es sich verkauft?
- Wie komplex sind die Fertigungsabläufe?
Am Ende finden Unternehmer so womöglich heraus, dass die Mehrheit ihrer Produkte unwesentliche Gewinne erzielt. Dann sei es höchste Zeit, die Produktpalette anzupassen. Erfolgreiche Restaurants machen’s vor: Sie haben nur eine kleine Auswahl der besten Speisen auf der Karte stehen. Auf diese Weise können sie beispielsweise Zutaten effizienter einkaufen, kalkulieren und lagern.
Fallstricke beim Pareto-Prinzip: Effizienz an falscher Stelle
Das Pareto-Prinzip sollte als Denkschablone dienen, nicht als Dogma. Cordula Nussbaum warnt davor, ein Unternehmen mit der Brechstange nach der 80/20-Regel umzukrempeln. Die Expertin für Zeitmanagement und Zielerreichung verdeutlicht anhand eines Beispiels, was dann passieren kann: „Ich habe mal eine Firma beraten, die beschloss, statt Weihnachtskarten nur noch -E-Mails an Kunden zu schicken. Auf den ersten Blick scheint das Sinn zu machen: minimaler Aufwand, gutes Ergebnis. Doch E-Mails haben nicht denselben Wert wie eine Karte. Das Ziel, dem Kunden zu zeigen, dass man ihn wertschätzt, wird so nicht erreicht.“
Das Beispiel zeigt: Unternehmer handeln teils unreflektiert, wenn sie ihre Firma nach dem Pareto-Prinzip effizienter gestalten wollen. „Viele orientieren sich nicht am Ergebnis, sondern konzentrieren sich nur auf die Aufgabe“, sagt Nussbaum. Im Weihnachtskarten-Beispiel hat sich das Unternehmen: nicht auf die Kundenbindung, sondern nur auf den Versand der Weihnachtsgrüße. Sinnvoller wäre gewesen, darüber nachzudenken, mit welchen Kunden die Firma die besten Geschäfte macht – und nur denen eine Karte zu schicken.
Nussbaum gibt folgenden Tipp: „Das Pareto-Prinzip macht immer dann Sinn, wenn man sich als erstes fragt, was das Hauptziel des Unternehmens ist. Was ist meine Vision? Und wie will ich wahrgenommen werden?“
Die Expertin warnt noch vor einem weiteren Fehler: „Das Pareto-Prinzip passt nicht zu jedem.“ Gerade empathische, kreative Mitarbeiter hätten damit Probleme. Sie können sich dadurch gestresst fühlen und im schlimmsten Fall krank werden, wenn beispielsweise Gesprächszeiten mit Kunden oder Geschäftspartnern nach der 80/20-Regel auf ein effizientes Minimum beschränkt werden.
Das Pareto-Prinzip fürs Zeitmanagement nutzen
Das Pareto-Prinzip eignet sich wunderbar fürs Zeitmanagement. „Es geht darum, die wichtigen Dinge, die mich und mein Geschäft voranbringen, strategisch in meinem Tagesplan zu verankern, sodass sie nicht dem Kleinkram zum Opfer fallen“, sagt Martin Krengel, Autor des Zeitmanagement-Ratgebers „Golden Rules“. Er empfiehlt die 80/20-Regel als Ansporn, sich auf die entscheidenden 20 Prozent zu konzentrieren. Doch wie lassen sich diese finden?
Not-to-do-Listen führen
Krengel empfiehlt, andersherum zu fragen: Was kann und muss ich ignorieren? Eine Not-to-do-Liste sei hilfreich: Man schreibt auf, welche Arbeiten unwichtig sind und darum nicht erledigt werden sollten. „Die Not-to-do-Liste hilft, Achtsamkeit für all das zu schaffen, was mich von den wichtigen 20 Prozent ablenkt“, sagt der Experte.
Rule of 9
Krengels Lieblings-Hilfsmittel ist die „Rule of 9“. Er kenne sie von Comedians, die sagen: Von zehn Witzen seien acht für die Tonne. Oder anders formuliert: Von zehn Businessideen funktioniert nur eine richtig gut. „Die Kunst ist, schnell herauszufinden, welche das ist“, meint er. „Wenn ich diese Regel vor Augen habe, filtere ich leichter nebensächliche Ideen und Anfragen aus.“
Zeit begrenzen
Ein probates Mittel, um sich dazu zu zwingen, Unwichtiges wegzulassen: Deadlines setzen. Krengel gibt ein Beispiel: Ich gebe mir drei Wochen Zeit, um ein Projekt anzustoßen, und schaue, was passiert. Nach diesen drei Wochen muss das Ergebnis nicht perfekt sein, ich kann immer noch nacharbeiten und perfektionieren. Aber auf diese Weise kann ich herausfinden, ob es zu den wichtigen Projekten (20 Prozent) gehören sollte.
Mut zum Halbfertigen
Um die 80/20-Regel umzusetzen, braucht man Mut zum Halbfertigen und zur Lücke. Statt nach Perfektion zu streben, sollte man Dinge einfach ausprobieren. „Systematisches Testen und mutige Richtungskorrekturen helfen, die Kernaufgaben zu identifizieren. Wenn ich zum Beispiel merke, dass ich mit meiner Business-Idee keinen Erfolg habe, muss ich mir das eingestehen und mich neuen Dingen zuwenden“, erklärt Krengel.
Strategische Stunde
Krengel rät Unternehmern, einmal in der Woche während einer strategischen Stunde über folgende Fragen nachzudenken:
Was hat mich weitergebracht?
Wo habe ich Zeit verschwendet?
Was hat kein Ergebnis gebracht?
Auch das helfe herauszufinden, welche Arbeiten und Projekte zu den wenigen wichtigen gehören.
Unwichtiges auf Randzeiten legen
Aber lassen sich alle Dinge, die zu den unwichtigen 80 Prozent gehören, einfach ignorieren? „80 Prozent liegen zu lassen, das trauen sich viele Unternehmer nicht“, weiß auch Krengel. Was also tun? „Am besten startet man am Morgen mit den wichtigen Dingen, also mit den 20 Prozent. Denn die unwichtigen Dinge, also die 80 Prozent, drängeln sich von allein in den Tag“, sagt Krengel. Nebensächliches erledigt man am besten Freitagnachmittag, wenn man bereits erschöpft von der Woche ist. Oder vielleicht am späten Nachmittag.
gelesen in: Impulse.de