Leki ist Weltmarktführer bei Ski- und Trekkingstöcken. Die Geschäftsführer Matthias Hatt und Martin Rominger vollziehen einen Generationenwechsel im schwäbischen Unternehmen und besetzen ein neues Thema.
Ein Besuch in Tachov, der größten Skistockfertigung der Welt, überrascht. Auf 12.000 Quadratmetern präsentiert sich das Werk, das im nächsten Jahr sein 20. Jubiläum feiert, so modern, als wäre es vor einem Jahr eröffnet worden. Die Prozesse sind digitalisiert und durchgetaktet, die Teams sehen über Displays, wie viele Teile sie produziert haben, die Böden sind blitzsauber und die Atmosphäre ist trotz Hochzeit in der Saison entspannt. Matthias Hatt und Martin Rominger, seit Januar 2019 Geschäftsführer bei Leki, erklären, wo sie für den Weltmarktführer Potenziale sehen.
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SAZsport: Zu Beginn des Jahres hat Waltraud Lenhart Sie in die Geschäftsführung berufen und damit die Staffelübergabe eingeleitet. Wie werden Sie, Herr Hatt und Herr Rominger, Leki nun führen?
Martin Rominger: Wir werden und wollen das Unternehmen nicht auf den Kopf stellen. Wir wollen das weiterführen, was Leki viele Jahre ausgemacht hat. Wir können uns mit den Werten der Marke identifizieren. Wir wollen das beste Produkt für den Kunden und müssen nicht auf Teufel komm raus wachsen. Das ist unser Fundament. Ich komme aus dem IT-Bereich, früher war die IT ein notwendiges Übel. Man orientierte sich stark an Verkaufs- oder Einkaufsthemen. Mittlerweile sind wir so aufgestellt, dass wir die IT nutzen, um das gesamte Zusammenspiel im Unternehmen auf andere Beine zu stellen. Vor zwei Jahren haben wir die Abläufe im Produktionswerk in Tachov digitalisiert. Die Teams können sich nun untereinander vergleichen. Wir können früher auf Engpässe reagieren und haben unsere Leistungsfähigkeit dadurch um etwa 20 Prozent gesteigert.
Der Unfall von Klaus Lenhart war ein starker Einschnitt für alle. Dadurch musste sich auch etwas verändern im Unternehmen. Der erste Schritt war, dass Waltraud Lenhart die Geschäftsführung übernommen hatte. Sie hat Leki stabilisiert und sehr erfolgreich weitergeführt. Zudem hatte sie zeitnah ein Management-Board eingeführt, womit sie zusammen mit Matthias Hatt, Gerald Kinbacher und mir seit fünf Jahren das Unternehmen auf der Führungsebene gut aufgestellt hatte. Seit diesem Jahr führen wir Leki mit Waltraud Lenhart als geschäftsführender Gesellschafterin. Matthias verantwortet unter anderem die Vertriebs- und Marketingperspektive und ich übernehme die internen Abläufe, damit sie ineinandergreifen.
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Matthias Hatt: Uns sind Werte wie Loyalität, Zuverlässigkeit, Kalkulierbarkeit und Berechenbarkeit wichtig, speziell in der Partnerschaft zu unseren Kunden. Die werden wir vorantreiben. Natürlich gibt es mit uns einen Generationenwechsel im Unternehmen. Wir verstehen uns bei Leki sehr stark als ein Team, abteilungsübergreifend. Wir sind eine Marke, die über Innovationen die Durchschnittspreislage steigern will. Aufgrund des „Triggers“ haben wir im Alpin-Segment die Preise von 39 Euro auf über 50 Euro anheben können. Bei den Faltstöcken haben wir es geschafft, Preise im Schnitt von 74 Euro auf über 100 Euro durchzusetzen. Das hilft dem Handel in Zeiten von Frequenzverlusten im Durchschnittsbon. Es gibt für jeden Preis einen Markt, aber es muss eine ehrliche Innovation sein.
SAZsport: Wie ist die Umsatzentwicklung von Leki in den letzten Jahren?
Hatt: Als Familienunternehmen sind wir bei unseren Umsätzen eher schwäbisch zurückhaltend. Die letzten fünf Jahre konnten wir aber den Umsatz um 35 Prozent steigern. Das liegt primär an der Internationalisierung. Wir sind sehr individuell in die Märkte eingestiegen. Deutschland ist aktuell und hoffentlich auch zukünftig noch sehr stark fachhandelsorganisiert. In dieser Form gibt es international kaum einen anderen Markt mehr. In anderen Ländern ist der Markt viel stärker von Ketten getrieben, wenn ich mir Skandinavien mit XXL oder Nordamerika mit REI anschaue. Da haben wir unsere Maßnahmen angepasst, in der Art, wie wir die Märkte betreuen.
SAZsport: Leki hat auf der ISPO mit Cross-Trail eine neue Ausrichtung vorgestellt. Warum braucht es die?
Hatt: Als Marke haben wir die Aufgabe, dass wir uns immer hinterfragen, in dem, was wir tun und was wir an Produkten verkaufen wollen. Die Analyse, die wir 24 Monate vor der ISPO gefahren haben, ergab, dass eine neue Bewegung am Berg stattfindet. Diese neue Bewegung trifft einen Lifestyle, einen Fitnessgedanken, und darauf haben wir reagiert. Das ist ein Mix aus Trail-Running, was eher raceorientiert und nah am Leistungssport ist, und dem klassischen Wandern, dem Naturerleben. In unserer Welt nennen wir den Trend, der sich gerade massiv entwickelt, Cross-Trail.
SAZsport: Wie hat man diese Zielgruppe für sich entdeckt?
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Hatt: Wir sind einfach in die Berge gefahren und haben uns angeschaut, was da passiert. Wir waren am Tegernsee, in Garmisch, in Südtirol. Es sind so viele junge Leute mit sportlichen Outfits am Berg. Sie waren eher mit Trail-Running-Outfits unterwegs, aber sie haben kein Trail-Running gemacht, sondern eher sportliches Berggehen. Das, was gerade im Wintertourenbereich Trend ist, man geht seine Skitour in einer oder zwei Stunden auf die Hütte hoch, trinkt oben sein Bier und hat runter eine schöne Abfahrt im Firn mit der Stirnlampe, das ist die gleiche Bewegung, die im Sommer stattfindet, und letztendlich sind es die gleichen Leute. Das bedeutet Workout, nach dem Job, anderthalb bis zwei Stunden mit Freunden, aber nicht leicht und locker laufen, sondern unter dem sportlichen Berggehcharakter. Es hat nichts mit Trail-Running zu tun. Es ist ein sportliches Berggehen.
SAZsport: Wie nimmt der Handel diese neue Sportart auf?
Hatt: Dem Feedback aus dem Handel nach treffen wir den Puls der Zeit damit sehr gut. Wir hätten nicht gedacht, dass es so eine Euphorie entfacht. Die Vororder wurde sehr gut angenommen. Die jungen, neuen Textiliten haben es uns vorgemacht. Da haben wir, glaube ich, gut reagiert.
SAZsport: Wie unterscheidet sich die Ausrüstung beim Cross-Trail?
Hatt: Wir sind eine produktgetriebene Firma. Beim klassischen Wanderstock spielen der Griff, die Ergonomie, das Packmaß und das Gewicht eine wichtige Rolle. Beim Trail-Running haben wir ganz andere Griffkonstruktionen, ganz andere Anforderungen an das Produkt. Daraus entwickelt sich der Cross-Trail-Stock mit einem eigenen, sehr ergonomischen Griff. Dieser Griff hat die beste Führung, die Leki jemals im Sommer hatte. Speziell die Kombination aus Griff und Systemschlaufe zahlt auf diese neue Bewegung ein und definiert das Produkt klar. Über den speziellen Griff kann man das Produkt klar differenzieren. Die Spitze des Schaftes ist aus dem Trail-Running adaptiert. Wir versuchen hier, gut zuzuhören, was der Markt braucht, deshalb sind wir bei dieser Zielgruppe auch im Design komplett andere Wege gegangen. Ebenso arbeiten wir mit einem Schaft, der in der Top-Range 12 bis 14 Millimeter aufweist. Unser Leitsatz ist, dass wir zu jeder Leitmesse eine Produktinnovation oder Weiterentwicklung in einer Produktgruppe vorstellen. In diesem Feld wollen wir führend sein. Das hat man nach dem Schicksalsschlag vor nun acht Jahren nicht gedacht, dass wir dieses Tempo zu jeder Messe beibehalten, und auch zur nächsten ISPO wird wieder ein Hammer kommen von Leki.
SAZsport: Wie groß ist die Produktpalette für diese neue Sportart?
Hatt: Wir haben dafür zunächst eine kleine Range definiert mit zwei Herren- und zwei Damen-Modellen, jeweils aus Carbon und Aluminium, die sehr selektiv vertrieben werden. Es ist ein neues Thema für den Handel. Textil hat es vorgemacht, Hartware kommt hinterher. Interessant ist der Zuspruch aus dem Handel. Die innovativen, starken Händler sehen das Potenzial dieses Thema auch. Wir können aber heute schon sagen, dass wir diese Kategorie ausbauen werden. Wir werden dazu Schulungen durchführen, PoS-Material anbieten, und Cross-Trail wird auch in den neuen Medien sehr stark in den Fokus gerückt, Stichwort Instagram. Speziell die Cross-Trail-Zielgruppe ist eine Instagram-affine Zielgruppe. Diese Kampagnen werden nächstes Jahr im Mai gemeinsam mit dem Fachhandel lanciert. Da sich das Preisgefüge dieser Range im oberen Feld zwischen 169 und 189 Euro bewegt, rechnen wir im ersten Schritt mit circa 80 bis 100 Händlern, die Cross-Trail deutschlandweit anbieten werden.
SAZsport: Leki hat schon vor Jahren versucht, mit Speedhiking gemeinsam mit Deuter, Meindl und Lowa eine neue Sportart zu etablieren. Warum hat es damals nicht geklappt, und wie kann es nun gelingen?
Hatt: Das ist über zehn Jahre her, aber damals war der Markt nicht so weit. Der Konsument hat sich damals noch nicht so am Berg bewegt. Für uns ist Cross-Trail keine Sportart, sondern eher eine Bewegung von sportlichen Menschen, denen Lifestyle wichtig ist und die den Vorteil funktioneller Produkte schätzen.
SAZsport: Was kann der Handel tun, damit Cross-Trail bei der Instagram-affinen Zielgruppe ein Erfolg wird?
Hatt: Eine Affinität zu den Social-Media-Kanälen wäre wünschenswert. Ich glaube, der Handel muss sich da öffnen, das tut er aber auch. Speziell bei Instagram ist es aber nicht zwingend notwendig, dass der Fachhandel einen Account hat. Wenn wir das lancieren und damit Werbung schalten, dann werden wir automatisch den Händler ins Spiel bringen. Dadurch wird der Endkunde sehen, bei welchen Händlern er das Produkt beziehen kann.
SAZport: Leki war immer eine fachhandelsfreundliche Marke, die sowohl im Online-Shop als auch auf Social Media den Handel mitgenommen und integriert hat. Ist B2C für Leki ausgeschlossen?
Hatt: Wir wären als Marke nicht da, wo wir heute sind, wenn es den Fachhändler nicht gäbe. Wir haben sehr starke Marktdurchdringung mit einem Marktanteil von über 40 Prozent im DACH-Raum. De facto ist es heute so, dass wir uns vor keinem Schritt verschließen dürfen. Wir können nicht sagen, wir werden die nächsten zehn Jahre nicht vertikalisieren. Das Einkaufsverhalten der Konsumenten hat sich verändert, und es liegt ganz stark am Fachhandel, wie er sich dem stellt. Und anhand dessen, wie der Fachhandel darauf reagiert, werden wir unsere Strategie prägen müssen. Stand heute arbeiten von den ursprünglich 15 Händlern nur noch zwei mit dem GaxSys-System im Online-Shop. Es war ein Commitment zum Fachhandel und eine Investition von unserer Seite. Das hat nur bedingt funktioniert. Diese zwei Händler machen gute Umsätze, aber sie haben auch eine Person für dieses Thema abgestellt. Wenn nun die Schleusen aufgehen und plötzlich ist eine neue Bewegung in den neuen Medien zu sehen, dann übersehen wir oft, dass viele kleinere Händler dem Thema folgen, aber morgen wieder verschwunden sind. Online-Business und Business im stationären Handel unterliegen unterschiedlichen Gegebenheiten und Anforderungen. Wir müssen schauen, dass wir am Puls der Zeit sind. Wir können nichts ausschließen, aber wir haben auch keine klare Strategie, dass wir 2020 mit einem Online-Shop direkt verkaufen. Wir sind eine Fachhandelsmarke, und diesen Weg gehen wir.