„Jetzt müssen wir kreativ sein, um Anstandsregeln zu entwickeln“

 Verkaufspsychologe Burkhard Treude über Abstand und Atemschutz am POS

 

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Burkhard Treude hat mehrere Coaching-Bücher geschrieben, darunter „Hochwertige Mode erfolgreich verkaufen. Kunden gewinnen und binden durch emotionale und fachliche Kompetenz“

 

Burkhard Treude ist Verkaufspsychologe mit über 25 Jahren Erfahrung im Training des gehobenen Facheinzelhandels. Für die TW hat er erste Strategien zum Verkaufen mit den neuen Sicherheits-Regeln und für die Beratung auf Distanz entwickelt.

 

TextilWirtschaft: Mit der Atemschutz-Pflicht bleibt jetzt auf unbestimmte Zeit ein wichtiger Teil des Gesichtes verdeckt. Wie gelingt die Kommunikation mit dem Kunden auch ohne sichtbares Lächeln?

 

Burkhard Treude: Ja, da fehlt jetzt ein wichtiger Teil der Mimik. Mit den Augen zu lächeln, ist ja gerade für Brillenträger nicht so einfach. Da müssen die Verkäufer jetzt mehr auf Körpersprache insgesamt setzen. Ein schräger Tipp, der aber viel bringt, ist es, zu winken, wenn der Kunde den Laden betritt. Das klingt zwar albern, wirkt aber Wunder und sorgt für gute Stimmung.

 

Aber gerade in Sachen Körpersprache sind die Deutschen ja eher zurückhaltend.
Ja, das müssen wir jetzt lernen. Außerdem wird permanenter Blickkontakt jetzt sehr viel wichtiger. Aber auch die Sprache. Jetzt müssen Verkäufer die Kunden sehr viel direkter ansprechen und ihnen sagen, dass sie sich über den Besuch freuen, ihre Gefühle beschreiben.

 

Haben Sie da ein Beispiel?

Sie müssen lernen, direkt zu beschreiben, was sie fühlen. „Leider kann ich Ihnen nicht direkt zeigen, wie sehr ich mich mit Ihnen freue.“ Aber auch im negativen Sinn: Früher konnte man eher durch Mimik ausdrücken, dass ein Teil nicht so gut passt. Jetzt muss man direkt sagen: „Das ist nicht unbedingt das, was ich Ihnen empfehlen würde.“ Gleichzeitig muss man viel sensibler sein, denn Worte sind oft viel uncharmanter.

 

Sollte man den Kunden auf den Atemschutz ansprechen?

Klar, es entkrampft die Situation unheimlich, das Thema in irgendeiner Form ironisch aufzugreifen. Es ist ja für alle gleichermaßen unangenehm. Und wenn im Sommer wegen der Hitze gejammert wird, bringen Sätze dieser positive Stimmung wie: „Ich finde es aber nett, dass Sie das trotzdem für uns alle auf sich nehmen.“ Die nächste Schwierigkeit kann auch sein, dass man seinen Stammkunden nicht erkennt, wenn die Hälfte des Gesichtes fehlt. Auch das kann peinlich werden. Und umgekehrt sollte der Verkäufer auf ein Namensschild achten.

 

Wie sollte die Maske aussehen? Modisch, mit Firmenlogo?

Darüber muss man sich als Fashion-Store natürlich große Gedanken machen. Da gibt es ja sehr kreative Ideen. Gut ist was Witziges, das den Kunden zum Lächeln bringt. Oder vielleicht ein Porträtfoto. Das Firmenlogo eher klein auf der Seite. Aber darüber kann man ja mit dem gesamten Team gut brainstormen.

 

Was ist generell bei der Beratung auf Distanz zu beachten?

Wichtig ist es, dass klarer, lauter, deutlicher gesprochen wird. Unter der Stoffmaske ist ja die Akustik deutlich gedämpfter.

 

Und wenn man den Kunden nicht versteht?

Auf keinem Fall direkt nachfragen, das kann leicht als kritisierend empfunden werden. Erstmal durch Körpersprache signalisieren, den Kopf leicht schräg halten oder nach vor neigen. Erst dann nachfragen.

 

Wie sollten die Kunden auf Sicherheitsvorkehrungen hingewiesen werden?

Auf keinem Fall mit dem Abstandsgebot kommen, Händler haben keine Polizeirolle. Eher so: „Entschuldigung, jetzt bin ich Ihnen zu nahe gekommen“ oder: „Oh, ich merke gerade, dass wir nicht genug Anstand zueinander haben. Daran muss ich mich auch erst gewöhnen.“

 

Was ist mit Desinfektionsspray?

Darauf sollte man klar hinweisen: „Sind Sie bitte so nett und nutzen Desinfektions-Spray?“ Und dann sollten die Verkäufer in einer ruhigen Minute regelmäßig den riesigen Virenherd beseitigen, der durch das Anfassen des Sprays mit den bloßen Händen entsteht.

 

Wie verabschiedet man den Kunden am besten ohne sichtbares Lächeln?

Indem man ganz klar sagt: „Ich habe sie gern beraten“. Es geht jetzt um neue Anstandsregeln.

 

Inwieweit sollten die Mitarbeiter zur neuen Situation geschult werden?

Da ist natürlich essentiell. Aber ich weiß auch, dass die meisten Händler jetzt ganz andere Sorgen haben. Dennoch ist das Verkaufsgespräch mit Maske eine ganz neue Herausforderung, deren Regeln wir alle erst lernen müssen. Bislang ist es in der Corona-Krise vor allem darauf angekommen, die Abstandsregeln einzuhalten. Jetzt müssen wir kreativ sein, um Anstandsregeln zu entwickeln.

 

gelesen in: TextilWirtschaft today von Kirsten Reinhold vom 11.05.2020

 

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