Ingmar Anderson ist beim Jetzendorfer Outdoor-Schuster Lowa verantwortlich für den Bereich der Corporate Responsibility (CR). Wie der derzeitige Stand des Unternehmens beim Thema CSR-Level und Nachhaltigkeit ist, verrät er im Interview mit SAZsport.
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SAZsport: Die Fachgruppe Outdoor im BSI hat sich wie viele große Textilfirmen dem Interessenverbund ZDHC angeschlossen. Viele Outdoor-Marken hatten sich committet, bis 2020 PFC-frei zu sein und auf die Nutzung gefährlicher Chemikalien in der Produktion und bei ihren Produkten zu verzichten. Wie ist der Status quo in der Outdoor-Branche bei Hartwaren, Schuhen und Textilien was dieses Ziel angeht?
Ingmar Anderson: In dem Bereich PFC-Freiheit gab es unserer Meinung nach viel Entwicklung in den letzten Jahren und es konnten bereits einige Fortschritte verzeichnet werden – speziell im Bereich Textilien. Allerdings handelt es sich immer noch um ein sehr ambitioniertes Ziel im Bereich von Performance-Outdoor-Schuhen. Der Einsatz im Gelände mit einem Outdoor-Schuh beansprucht Materialien stärker durch den erhöhten Abrieb und Stress auf die Materialien. Deshalb ist es eine Herausforderung, hier dauerhaft wasserdichte und robuste Lösungen bereitzustellen. Zusätzlich besteht ein hochwertiger Outdoor-Schuh aus über 150 Einzelteilen und vielen unterschiedlichen Materialien. Wir haben es hier deshalb mit wesentlich komplexeren Produkten und Produktionsverfahren zu tun, als beispielsweise in der Textilindustrie. Weiterhin in der Sache PFC-Freiheit haben wir jüngst unsere komplette Pflegeserie umgestellt. Diese kommt seit diesem Jahr PFC-frei daher und basiert nun auf ökologisch nachhaltigen Materialien.
Was das Thema „gefährliche Chemikalien“ angeht, ist Lowa zum Beispiel eines der Gründungsmitglieder der Cads e.V., einem Zusammenschluss von Herstellern und Lieferanten zur Vermeidung von Schadstoffen in Schuhen unter dem Dach des Deutschen Schuhinstituts. Sämtliche angeschlossenen Unternehmen verpflichten sich freiwillig, den bewusst hohen Anforderungen der erarbeiteten Richtlinie „Verzeichnis eingeschränkt nutzbarer Substanzen in Schuhen“ gerecht zu werden. Zudem hat Lowa zusätzlich für alle Produkte eine eigene „Restricted Substances List“ (Liste verbotener und/oder begrenzter Inhaltsstoffe) erstellt, die der CADS-Richtlinie entspricht.
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SAZsport: Wo steht Ihre Brand in puncto CSR-Level im Vergleich zur Outdoor-Branche?
Anderson: Lowa steht im Bereich CR auf einem soliden Fundament. Wir haben vor einigen Jahren einen CR-Manager eingestellt, der unsere komplette Produktionskette analysiert hat. Natürlich haben auch wir noch einige Herausforderungen und Aufgaben vor uns, denen wir uns in den nächsten Jahren widmen möchten. Wir konnten bereits einige Erfolge verzeichnen und freuen uns, unser Engagement weiter voranzutreiben. So haben wir zum Beispiel im Herbst letzten Jahres unsere Dachflächen am Standort Jetzendorf mit einer festinstallierten Photovoltaik-Anlage überdacht. Dadurch produzieren wir nun ein Viertel unseres Strombedarfs in Jetzendorf über diese Technik. Der restliche Strombedarf am Standort wird über hunderprozentigen Ökostrom aus Wasserkraft abgedeckt.
SAZsport: Bei welchen CSR-Themen wie PFC, Mikroplastik oder anderen Bereichen sehen Sie Handlungsbedarf?
Anderson: Natürlich handelt es sich bei all diesen Themen um wichtige Handlungsfelder, die man im Fokus halten sollte. Demnach sehen wir hier in allen Bereichen Handlungsbedarf. Hin und wieder stehen bestimmte Themenfelder im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion. So zum Beispiel im Moment die Themen Mikroplastik oder PFC. Wir sind allerdings der Meinung, dass man hier nicht bestimmten Trends folgen, sondern alle Themen ganzheitlich betrachten sollte. Jedes Thema einer nachhaltigen Lieferkette, Produktion und Produktlebenszyklus für sich ist wichtig und bedarf individueller Prüfung und Umsetzung.
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SAZsport: Wie ist die Wahrnehmung der Konsumenten in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Anderson: Bei den Konsumenten herrscht mittlerweile ein gesteigertes Bewusstsein für dieses Thema. Sie möchten wissen, wo die Produkte herkommen und welche Materialien verarbeitet wurden. Hier zeichnet sich eine sehr positive Entwicklung ab, die sich zum Beispiel auch in den „Fridays for Future“-Bewegungen zeigt. Allerdings sind auch nach wie vor Themen wie das passende Produkt für den richtigen Einsatzzweck, das Preis-Leistungs-Verhältnis oder die Beratungsqualität an oberster Stelle der Kaufentscheidung.
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SAZsport: Was kann der Handel bei dem Thema tun?
Anderson: Der Handel ist ja oftmals der direkte Kontakt zum Kunden und damit natürlich entscheidend für die Vermittlung der verschiedenen Themenfelder. Verkäufer sollten somit über ein fundiertes Nachhaltigkeitswissen verfügen und Kunden gezielt Auskunft geben. Um dies zu gewährleisten, sind Schulungen und Fortbildungen wichtig. Der Händler sollte sich daraus dann natürlich ein ganzheitliches Bild über das Thema Nachhaltigkeit verschaffen, was nicht immer so einfach ist. Das Thema ist recht komplex und beinhaltet die gesamte Lieferkette, Einsatz von Materialien, Produktion, Transportwege, Produktlebenszyklus. Nur wenn man alle diese Bereiche betrachtet, kann man eine gute Beurteilung machen. Nur ein Thema hervorzuheben reicht meiner Meinung nach nicht aus. Mittlerweile spielt das Thema Nachhaltigkeit aber bei Schulungen eine immer größere Rolle. Die Mitarbeiter der Unterwegs Gruppe aus Wilhelmshaven haben zum Beispiel für ihre nächste Schulung bei uns in Jetzendorf den Fokus Corporate Responsibility angefragt und werden sich bei uns dann ausgiebig über das Thema informieren.
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SAZsport: Kennen Sie Outdoor-Fachhändler, die sich auf Nachhaltigkeit spezialisiert haben?
Anderson: Mittlerweile haben einige Händler in Deutschland das Thema erkannt und binden es gezielt in ihre Kommunikation ein. So hebt zum Beispiel die Globetrotter-Kette in ihrem Bereich „A Greener Choice“ besonders nachhaltige Produkte in ihren Stores hervor. Das Sportgeschäft Iko-Sport in Raubling veranstaltete jüngst eine komplette „Green Week“ und bot interessierten Kunden die Möglichkeit, einen Blick hinter die Marken und deren CR-Engagement zu werfen. Wir schätzen dieses Engagement sehr und freuen uns, dass das Thema auch im Handel immer mehr Beachtung findet.