Das müssen Händler beim Retouren-Management beachten

FÜR DEN KAMPF GEGEN DEN RENDITEKILLER NUMMER EINS

Zurück in den Lieferwagen: Schätzungsweise 50% der Lieferungen im Fashion-Segment werden zurückgeschickt.

Retouren sind für Händler ein ungeliebtes Thema. Schließlich ist der bisher häufig gewählte Weg, Rücksendungen und Warenüberbestände gesammelt an Großabnehmer abzuverkaufen, nicht nur wenig lukrativ. Er ist auch durch Umweltaspekte und das Thema Warenvernichtung in Verruf geraten ist. Ein Grund mehr, die eigenen Prozesse für Retourenmanagement zu überprüfen. Oliver Lauterwein vom niederländischen Start-up Buy Bay hat dafür eine Checkliste zusammengestellt.

Umweltverbände und Politik fordern, dass die sogenannte Obhutspflicht für Händler als Bestandteil des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) stärker gesetzlich verankert wird. Dazu zählt unter anderem das Verbot, Elektro- und Elektronikgeräte zu entsorgen, wenn diese nach einer Instandsetzung oder Wiederaufbereitung noch nutzbar wären.
Vertreiber sollen zukünftig Verzeichnisse über alle Retouren und deren Verbleib führen und könnten auch gesetzlich belangt werden, wenn sie gegen entsprechende Vorgaben verstoßen. Ein Grund mehr, die eigenen Prozesse für Retourenmanagement zu überprüfen. Die folgende Checkliste kann dabei hilfreich sein:

1. Wie granular sind Überprüfung und Sortierung?

Sendet ein Kunde ein Produkt zurück, das komplett neuwertig ist, kann es sofort wieder in das normale Sortiment zum Wiederverkauf aufgenommen werden. Die anderen Rücksendungen umfassen Produkte mit beschädigter bzw. geöffneter Verpackung, Artikel, die eindeutig benutzt oder verschmutzt sind, sowie nicht funktionsfähige Produkte. Jedes Produkt sollte nun in den sogenannten Grading-Prozess zur individuellen Bewertung und Einstufung überführt werden.

2. Auf welcher Basis erfolgt die Rentabilitätsbewertung?

Für die Weiterverwertung der Waren sollte eine Bewertung zeigen, ob sich eine Reparatur oder Wiederaufbereitung rentiert. Bei hochwertigen Produkten ist eine Aufbereitung fast immer sinnvoll. Ein zuverlässiges, datengesteuertes System, welches den voraussichtlichen Wiederverkaufswert eines Produktes sowie die damit verbundenen Wiederherstellungskosten berücksichtigt, kann dabei die Profitabilität des Retourenmanagements erheblich steigern.

3. Welche Warensegmente können abgedeckt werden?

Je nach Warensortiment können bis zu 100 verschiedene Inspektionsarten erforderlich sein. Von einer einfachen visuellen Inspektion über den Testwaschgang bei einer Waschmaschine bis zum Pixeltest auf 4K-Bildschirmen oder einer professionellen Datenlöschung bei Elektronik- und Mobilgeräten. Können alle diese Inspektionen abgedeckt werden?

4. Welche Ressourcen stehen für Tests und Aufbereitung zur Verfügung?

Die Warenüberprüfung sollte mindestens eine Funktionsprüfung, eine Funktionsbeschreibung, die Reinigung sowie eine professionelle Entfernung aller persönlichen, identifizierbaren Informationen (PII) gemäß EU-Datenschutzrichtlinien wie der DSGVO beinhalten. Eine intelligente und automatisierte Zuordnung notwendiger Tests und Verfahren sowie die schrittweise Unterstützung der Prüfer durch entsprechende Software können den Prozess vereinfachen und den Wiederverkaufswert erheblich steigern. Ebenso wichtig ist das Erstellen detaillierter Fotos und einer genauen Dokumentation von Mängeln, damit der nächste Kunde eine klare Vorstellung vom Zustand des Produktes hat.

5. Wie hoch sind Flexibilität und Skalierbarkeit?

Die Frage, ob die erwartete Retourenmenge bewältigt werden kann, betrifft nicht nur die Größe der Warenlager und Testzentren, sondern auch die personellen Ressourcen. Dabei sollte beachtet werden, ob und wie eine Skalierung bewerkstelligt werden kann. Neben saisonalen Spitzen, wie dem Weihnachtsgeschäft und dem Black Friday, haben Händler und Hersteller auch individuelle Bedarfsspitzen.

6. Wie werden Kanäle und Preise für den Wiederverkauf festgelegt?

Sobald die Produkte die Qualitätsprüfung sowie das Grading durchlaufen haben und neu verpackt wurden, sind sie bereit für den nächsten Käufer. Wenn möglich, sollten dazu alle drei gängigen Verkaufskanäle abgedeckt werden: öffentliche Marktplätze, mindestens eine Aktionsplattform sowie die Option, die Waren in einem Shop oder Bereich für B-Ware auf der eigenen Website verkaufen zu können.

Hier empfiehlt es sich zu prüfen, wie der am besten geeignete Kanal ausgewählt und ob er für einzelne Produkte oder für ganze Chargen ermittelt wird. Darüber hinaus gilt es, eine optimale Preisgestaltung für das Gleichgewicht zwischen Wertsteigerung und dem richtigen Verkaufsvolumen zu finden. Der Einsatz eines automatisierten, datengesteuerten und selbstlernenden Systems kann den Gewinn aus diesen Retouren signifikant erhöhen.

7. Gibt es einen Kundenservice für den Wiederverkauf?

Ein guter Service und das Einkaufserlebnis sind Schlüsselfaktoren für die Kundengewinnung und -bindung. Das gilt auch für den Wiederverkauf von Retouren oder Restposten. Optimalerweise gibt es ein Service-Team, das Fragen der Käufer zu den Produkten und ggf. deren Mängeln beantworten kann.

8. Wie transparent ist das Retourenmanagement?

Zu wissen, was mit jedem einzelnen Produkt geschieht, wird im Zuge der Obhutspflicht als Bestandteil des Kreislaufwirtschaftsgesetzes immer relevanter. Bei Großabnehmern hatten Händler bisher keinen Einblick, was nach dem Abverkauf mit den Produkten passiert.

Nicht nur bei der Zusammenarbeit mit einem Partner, sondern auch bei den inhouse durchgeführten Prozessschritten muss daher geprüft werden, inwieweit man den Weg der Produkte nachverfolgen kann. Dazu gehört auch, was mit nicht mehr verwendbaren defekten Produkten geschieht – ob diese beispielsweise fachgerecht entsorgt oder recycelt werden. Idealerweise sollte man jederzeit nachverfolgen und belegen können, was mit jedem einzelnen Produkt passiert.

Fazit

Die Checkliste zeigt, wie viele Kriterien es rund um das Thema Grading und Retourenmanagement zu bedenken gibt, um sowohl den Erlös aus Retouren deutlich zu steigern als auch die geforderte Transparenz und Dokumentation sicherzustellen.

gelesen in: TextilWirtschaft today vom 17.01.2022
Dieser Artikel erschien zuerst auf www.etailment.de, von Oliver Lauterwein am 02.11.2021