Biergärten, Ferienwohnungen, Geschäfte: Bundesländer liefern sich bei Öffnungen ein Wettrennen

Bayern öffnet die Biergärten, Schleswig-Holstein lockt Touristen, auch andere Bundesländer lockern. Stimmen nach einem einheitlichen Vorgehen werden laut.

 

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Strand in Schleswig-Holstein – Auch die deutschen Strände sollen sich wieder füllen, findet so mancher Länderchef. (Foto: imago images/penofoto)

 

Die sinkenden Fallzahlen und die fortschreitende Impfkampagne machen Hoffnungen auf schnelle Lockerungen der bestehenden Corona-Maßnahmen. In Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Bayern und Niedersachsen öffnen bereits in dieser Woche unter Auflagen Tourismus, Außengastronomie und Handel.

 

Darüber hinaus wollen Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz am Dienstag neue Lockerungen beschließen. Hamburg will ab Mittwoch die „Notbremse“ mit Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen aufheben. Alle drei Länder weisen seit Tagen eine Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 auf. Es droht ein Flickenteppich an Öffnungsregeln.

 

Nordrhein-Westfalen

 

Das Land Nordrhein-Westfalen muss in dieser Woche bei der Corona-Schutzverordnung nachbessern, die bis Freitag befristet ist. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte der Gastronomie Lockerungen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 50 in Aussicht gestellt. Schon jetzt dürfen in Modellregionen wie Lippstadt und Soest ab Mittwoch Straßencafés und die Terrassen der Restaurants wieder öffnen. In Billerbeck öffnete gar ein Schwimmbad. In Düsseldorf sollen Geschäfte nach der Vergabe von Terminen (Click & Meet) wieder Kunden empfangen.

 

Berlin und Brandenburg

 

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kündigte an, dass der Senat am Dienstag über mögliche Öffnungsschritte beraten werde. Für Pfingsten sollen kompatible Regeln mit Brandenburg gefunden werden – auch für die Außengastronomie. Die Sieben-Tage-Inzidenz fiel am vergangenen Freitag unter 100, liegt nun aber wieder über dieser Marke. Details sind deswegen noch unklar. Auch Kultureinrichtungen könnten wieder öffnen, und Sport unter freiem Himmel könnte erlaubt werden.

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Schleswig-Holstein

 

Schleswig-Holstein hat mit knapp 50 die niedrigste Sieben-Tage-Inzidenz unter allen Bundesländern. Ab kommender Woche dürfen Geimpfte, Genesene und Getestete unter Auflagen wieder im Innenbereich von Restaurants essen und in Hotels übernachten. Gäste, die nicht geimpft oder genesen sind, müssen dafür einen negativen Corona-Test vorlegen und diesen alle 48 Stunden erneuern. Außerdem gibt es eine Sperrstunde ab 23 Uhr.

 

In einigen Modellregionen wie in Eckernförde und Nordfriesland sind Ferienwohnungen, Campingplätze und Hotels bereits für Gäste geöffnet. Steigt die Inzidenz über drei Tage hinweg auf über 100, müssen die Öffnungen zurückgenommen werden.

 

Bayern

 

In Bayern sollen Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze in Kreisen unter der Inzidenz 100 ab 21. Mai öffnen dürfen. Über die konkreten Auflagen wollen die beteiligten Ministerien in dieser Woche beraten. Zudem können in Landkreisen mit einer Inzidenz von unter 100 seit Montag Konzert- und Opernhäuser sowie Theater und Kinos unter Auflagen öffnen. Ebenso machen die Biergärten wieder auf – unter Einbehaltung der Sperrstunde ab 22 Uhr.

 

Niedersachsen

 

Niedersachsen will den Tourismus zunächst nur für Einwohner aus dem eigenen Bundesland wieder öffnen. Seit Montag können Gäste in Regionen mit einer Inzidenz unter 100 wieder in Hotels, Ferienwohnungen und auf Campingplätzen übernachten. Auch hier müssen Gäste einen negativen Schnelltest oder eine Impfung vorweisen.

 

Die Einrichtungen dürfen nur bis zu 60 Prozent belegt werden, für Ferienwohnungen und Ferienhäuser gilt außerdem eine eintägige Wiederbelegungssperre, um die Ab- und Anreise zu entzerren. Frühestens im Juni will das Bundesland den Tourismus auch für Auswärtige öffnen.

 

Seit Montag gelten Lockerungen für Handel, Gastronomie und Kultur. Der Besuch von Museen, Galerien, Ausstellungen und Gedenkstätten ist mit negativem Testnachweis oder dem Nachweis einer vollständigen Impfung oder Genesung möglich. Hier gilt eine Kapazitätsbegrenzung von 50 Prozent. Auch der Einzelhandel darf wieder öffnen.

 

In Geschäften bis zu einer Verkaufsfläche von 200 Quadratmetern ist ein Einkauf nach vorheriger Terminvereinbarung möglich. Größere Geschäfte dürfen nur Getestete, Genesene oder vollständig Geimpfte betreten. Die Außengastronomie darf wieder öffnen.

 

Einheitliches Vorgehen gefordert

 

Angesichts der Öffnungspläne warnte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag vor einem „politischen Überbietungswettbewerb“. Andere Länder wie Israel hätten erst bei einer deutlich höheren Impfquote geöffnet. „Es darf aus der Zuversicht kein Übermut werden“, so Spahn. Er rate allenfalls zu Öffnungen im Außenbereich in Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 pro 100.000 Einwohner. Dort sei der Risikofaktor „mindestens um den Faktor zehn geringer als drinnen“.

 

Außerdem sollten alle Öffnungsschritte beim Reisen „sehr stark“ mit Corona-Tests abgestützt werden. Das Problem sei nicht eine geringe Inzidenz im Zielort, sondern dass Personen aus anderen Regionen Infektionen mit in die Urlaubsorte bringen würden. Mindestens ein Test am ersten Tag sei nötig, im Zweifel seien aber auch weitere Tests angebracht. Bislang gibt es allerdings keine Pläne, solche Regeln einheitlich festzulegen. Dies könnte etwa im Rahmen eines erneuten Bund-Länder-Treffens geschehen, das bislang allerdings nicht angesetzt ist.

 

Der Unionsvize Thorsten Frei (CDU) hält es zwar für wichtig, dass sich die Länder bei den Regeln untereinander absprechen, „um möglichst Verlässlichkeit herzustellen“. Es sei aber „nicht nötig, Öffnungsschritte bundeseinheitlich festzulegen“. Einheitliche Regeln würden lediglich benötigt, wenn die Pandemie aus dem Ruder zu laufen droht.

 

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Biergärten – Anstoßen bei gutem Wetter in einem Biergarten – das soll es nach Vorstellung der bayerisches Regierung bald schon wieder geben. (Foto: dpa)

 

Die „Bundesnotbremse“ überlässt es den Ländern, bei einer Inzidenz von unter 100 Öffnungskonzepte und Stufenpläne zu entwickeln. „Dies halte ich auch weiterhin für einen guten Weg“, sagte Frei dem Handelsblatt.

 

Auch Berlins Bürgermeister Müller, der Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, forderte eine Absprache über Urlaubsmöglichkeiten in den Sommerferien. Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg. „Im Hinblick auf die rasante Zunahme der Impfungen und den bevorstehenden Sommer mit vielen möglichen Aktivitäten im Freien sollten sich Bund und Länder bereits jetzt auf einen klaren Öffnungskatalog verständigen und festlegen, unter welchen Voraussetzungen welche Bereiche wieder öffnen dürfen“, sagte er der Funke Mediengruppe.
Darauf warteten nicht nur die Menschen, sondern auch die Hotels, Gaststätten und die Tourismuswirtschaft. Die Übernachtungen hätten im ersten Quartal mit 22,6 Millionen um 68,8 Prozent unter denen des Vorjahreszeitraums gelegen, teilte das Statistikamt mit.

 

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) plädierte für abgestimmte Maßnahmen. „Ich würde es für richtig halten, dass wir uns mit Bund und Ländern gemeinsam darauf verständigen. Und dass wir Schritt für Schritt die Öffnungen machen, und zwar so, dass im Sommer auch Urlaub in Deutschland möglich ist“, sagte er in der ARD. „Wir reden mit den Ländern und versuchen, ein einheitliches Vorgehen zu erreichen.“

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Sinkende Fallzahlen

 

Das Infektionsgeschehen flaut derweil ab. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Montag 6922 neue Corona-Fälle. Das sind 2238 Fälle weniger als am Montag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz blieb mit einem Wert von 119,1 in etwa auf dem Niveau des Vortags. Sieben Bundesländer liegen mittlerweile unter der Schwelle von 100. Außerdem nimmt die Impfkampagne Fahrt auf: Rund ein Drittel der Bevölkerung hat eine Erstimpfung erhalten.

 

gelesen im: Handelsblatt vom 11.05.2021