Die TW-Studie „E-Commerce im Fashion-Business“ analysiert die Digital-Strategien in der Bekleidungsindustrie. Im Fokus: Die Gewichtung und Relevanz der Vertriebskanäle.

Neben dem eigenen Online-Shop wird das Plattform-Business forciert. Was können About You, Amazon, Zalando und Otto.de? Wer liefert die meisten Neukunden? Wo bleibt am meisten Marge hängen? Die Big Four im TW-Check.
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Für 22 Prozent der Befragten in der TW-Studie sind Plattformen der relevanteste Vertriebsweg. 16 Prozent sagen, am wichtigsten ist der Verkauf über E-Concessions auf Marktplätzen. Ganz vorne liegt Zalando: 74 Prozent sind an den Berliner Online-Retailer angedockt. 67 Prozent arbeiten mit Amazon, 58 Prozent mit Otto.de, 56 Prozent nutzen die Plattform von About You. Ein Blick auf die Big Four:
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Amazon setzt geschätzte 45 Milliarden US-Dollar mit Bekleidung um. Die Story könnte hier schon beendet sein. Aber der Online-Gigant will nicht nur Masse bewegen, sondern auch Klasse. Bemüht sich seit Jahren, Brands mit Strahlkraft auf die Plattform zu bekommen, mit medienwirksamen Publikum-Events interessanter für lukrativere Zielgruppen zu werden. Arbeitet mit Hochdruck daran, das Profil der Eigenlabels zu schärfen, im Luxusmode-Business Fuß zu fassen. Von der Fashion-Führerschaft ist der Online-Gigant dennoch weit entfernt.

Mit 68 Prozent Zustimmung ist Amazon Reichweiten-Sieger der TW-Studie. Allein in Deutschland verkaufen 40.000 kleine und mittelständische Unternehmen über Amazon – viele davon sind Fashion-Händler. Einer davon ist Helmut Hagner, Leiter der Unternehmensgruppe Frey in Cham. Seit rund fünf Jahren ist der Platzhirsch aus dem Bayerischen Wald neben Zalando und Schuhe.de auf Amazon aktiv. „Wir hinterfragen das Plattformgeschäft als Verdienstmodell sehr stark“, so Hagner. Es zahle nicht auf die Marke ein, nicht in die Unternehmenswerte, binde Kunden nicht an Frey. „Aber es hilft uns, Bestände sauber zu halten, Liquidität zu schaffen, höhere Losgrößen ordern zu können und an bestimmte Marken heranzukommen.“ Unterm Strich: ein pragmatisches Geschäft.

Welche Ware ist wo sinnvoll? „Auf bedarfsorientierten Plattformen wie Amazon machen Artikel Sinn, die a) stark nachgefragt werden oder b) zur Grundausstattung eines Kunden gehören, also klassische NOS-Artikel.“ Das könnte die niedrige Retourenquote erklären. 37 Prozent der Befragten geben an, Amazon habe wenige Warenrücksendungen. Im Vergleich zu den anderen Plattformen schneidet der Konzern denn auch am besten ab.
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Derweil erhöht Amazon stetig den Marktplatz-Anteil. 58 Prozent sind es aktuell. Wie weit kann der Online-Gigant gehen? Es kippt schon, sagen Digital-Experten. Die Produktdaten-Qualität wird durch den höheren Anteil an Drittanbietern immer schlechter. Die Suchergebnisse auf Amazon nehmen in ihrer Qualität ab, was früher ein USP war.

Zudem wird das Wholesale-Geschäft zunehmend automatisiert. „Budgets und Einkaufsvorgaben werden rein durch Algorithmen berechnet. Im Grunde genommen haben nur noch die Top-10-Marken für Amazon überhaupt Einkäufer als Ansprechpartner. Alles weitere läuft über Ticketsysteme ins Ausland“, sagt Valerie Dichtl, Marktplatz-Expertin und Gründerin der Marketplace Uni.

So schneidet Amazon in der TW-Studie am schlechtesten ab, wenn es um gute, partnerschaftliche Zusammenarbeit geht. Mit 21 Prozent steht der US-Gigant weit hinter Otto.de (63 Prozent), About You (56 Prozent) und Zalando (53 Prozent).Otto.de – die faire Alternative? Die Hamburger positionieren sich als die Guten im Plattform-Business. Für Händler heißt das: direkte Ansprechpartner, klare Kommunikation, nachvollziehbare Konditionen.

Und für Kunden: Partner benötigen eine deutsche Unternehmensrechtsform und eine deutsche Umsatzsteuer-ID. Sie müssen gegenüber Verbrauchern als Verkäufer auftreten, einen deutschsprachigen Kundenservice anbieten sowie aus einem deutschen Warenlager versenden. Alle Marken und Händler, die ihre Produkte auf Otto.de anbieten, unterschreiben einen Code of Conduct. So soll die Einhaltung von Mindestlohn und Höchstarbeitszeiten in den Produktionsstätten der Partner abgesichert werden. Zudem herrscht ein Verbot für den Verkauf von Echtpelz. Dafür hat der Konzern eine eigene Ethikkommission gebildet, die die Einhaltung von Regelungen überprüft und bei fraglichen Produkten entscheidet.

Während mit Hochdruck an der Anbindung neuer Partner gearbeitet wird, geht Otto.de jetzt bereits die nächste Hürde an: die Zentralisierung der Zahlungsabwicklung. Der eigene Payment-Dienstleister soll die gesamte Zahlungsabwicklung für Marktplatzpartner inklusive der Möglichkeiten zum flexiblen Rechnungs- und Ratenkauf steuern. Kunden erhalten dann beim Checkout nur eine Rechnung, unabhängig davon, ob sie ein Produkt von Otto.de direkt oder bei einem Marktplatzpartner erworben haben.

Welche strategische Bedeutung die zentrale Zahlungsabwicklung haben kann, zeigt Alibaba am eingängigsten. Die chinesische Plattform hat mit AliPay eine eigene Zahlungsfunktion eingeführt, die auch abseits des Marktplatzes rege genutzt wird. Und Geld in die Kasse spült.

Die meisten Neukunden holt About You. Das sagen 59 Prozent der Studienteilnehmer. Der Hamburger Online-Retailer setzt – bewusst als Gegenmodell zu Amazon – konsequent auf Inspiration, Millennials, Influencer-Marketing. Die Kooperationen kommen mittlerweile im Monatstakt. Mit Sängerin Lena Meyer-Landrut, Singer-Songwriterin Mogli, Fußballer Kevin Trapp, Modebloggerin Marie von Behrens, mit Rapper Cro. Bei Markteintritten greift About You tief in die Tasche. Verpflichtet Megastars. Wie zuletzt Kendall Jenner, Topmodel, Top-Influencerin (246 Millionen Follower auf Instagram). Die Kampagne geht zeitgleich in 23 Märkten live. Kostet roundabout 5,6 Millionen Euro. Und erzeugt Sichtbarkeit auf allen Kanälen. Der About You-Shop ist nur einen Klick entfernt.

ZUR STUDIE
Basis der TW-Studie „E-Commerce im Fashion-Business 2022“ ist eine personalisierte Online-Befragung von 105 Führungskräften der Bekleidungsindustrie, die für E-Commerce mitverantwortlich sind. Die Studie beleuchtet den Status quo des Digitalisierungsgrades in den Unternehmen. Welche Vertriebswege werden genutzt, wo wird investiert und ausgebaut? Wie wichtig ist Social Media? Welche Daten werden erhoben? Wer nutzt KI? Feldzeit war im April und Mai 2022.
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von Jelena Faber (TW) Montag, 15. August 2022