Der Bundestag hat am 16. Dezember 2022 das lange erwartete Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen. Ziel des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden EU-Richtlinie ist ein besserer Schutz von Whistleblowern, also von Personen, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen geben. Das Gesetz wird drei Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten, voraussichtlich im April 2023.

Ende Juli 2022 hat das Bundeskabinett einen Regierungsentwurf verabschiedet. Dieser ist nach viel Kritik im Rechtsausschuss des Bundestags noch einmal überarbeitet und am 16. Dezember 2022 vom Bundestag beschlossen worden. Die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus.

Inhalt des Hinweisgeberschutzgesetzes

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz will einen umfassenden Schutz von Whistleblowern sicherstellen. Dazu sieht das Gesetz folgende Maßnahmen vor:

  • Unternehmen und Organisationen ab 50 Beschäftigten müssen sichere interne Hinweisgebersysteme installieren und betreiben. Kleinere Unternehmen zwischen 50 und 249 Beschäftigten wird dafür eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 eingeräumt.
  • Whistleblower müssen die Möglichkeit erhalten, Hinweise mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich abzugeben.
  • Wird ein Hinweis abgegeben, muss die interne Meldestelle dies dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen bestätigen.
  • Binnen drei Monaten muss die Meldestelle den Whistleblower über die ergriffenen Maßnahmen informieren, beispielsweise über die Einleitung interner Compliance-Untersuchungen oder die Weiterleitung einer Meldung an eine zuständige Behörde, etwa eine Strafverfolgungsbehörde.
  • Als zweite, gleichwertige Möglichkeit zur Abgabe von Hinweisen wird beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle eingerichtet. Die Bundesländer können darüber hinaus eigene Meldestellen einrichten.
  • Whistleblower können sich frei entscheiden, ob sie eine Meldung an die interne Meldestelle ihres Unternehmens abgeben oder die externe Meldestelle nutzen möchten.
  • Auch anonymen Hinweisen muss nachgegangen werden.
  • Zum Schutz der Whistleblower vor „Repressalien“ enthält das Gesetz eine weitgehende Beweislastumkehr: Wird ein Whistleblower im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit „benachteiligt“, wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Zudem kommen Schadensersatzansprüche des Whistleblowers aufgrund von Repressalien in Betracht.

Letzte Änderungen am Gesetzentwurf durch den Rechtsausschuss des Bundestags

Auch wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten meldet, wird künftig unter den Hinweisgeberschutz fallen und somit vor Repressalien geschützt sein. Hier wurde das Gesetz aufgrund der Diskussionen über den Umgang mit sogenannten „Reichsbürgern“ im öffentlichen Dienst erweitert. Der Begriff der Äußerung soll mündliche sowie schriftliche Äußerungen etwa in Chats umfassen und auf andere Weise, etwa durch Gebärden, getätigte Äußerungen.

Eine wesentliche Änderung bezieht sich auf den Umgang mit anonymen Meldungen. Das Gesetz regelt nun, dass sich die Meldestellen mit anonymen Hinweisen beschäftigen müssen. Dafür sollen die Meldestellen entsprechende Vorkehrungen treffen, um auch eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgebenden und Meldestellen zu ermöglichen.

Hinweisgebende, die Repressalien erleiden, können jetzt auch dann Schadensersatz verlangen, wenn es sich nicht um einen Vermögensschaden handelt. Zu einer vollständigen Wiedergutmachung im Einzelfall kann daher jetzt auch Schmerzensgeld für immaterielle Schäden gehören.

Bedeutung des Hinweisgeberschutzgesetzes für die Praxis

Unternehmen, die mindestens 50 Mitarbeitende beschäftigen und damit unter das Hinweisgeberschutzgesetz fallen werden, müssen sich mit der neuen Rechtslage auseinandersetzen. Das Hinweisgeberschutzgesetz wird drei Monate nach Verkündung und damit wohl spätestens im April 2023 in Kraft treten. Zwar wird für Unternehmen, die zwischen 50 und 249 Arbeitnehmenden beschäftigen, noch eine „Schonfrist“ hinsichtlich der Umsetzung bis zum 17. Dezember 2023 bestehen. Die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist aber komplex, sodass entsprechende Vorbereitungen rechtzeitig getroffen werden sollten. Unternehmen mit mindestens 250 Arbeitnehmenden müssen dagegen unverzüglich handeln, da für sie das Gesetz mit Inkrafttreten gelten wird.

Wichtig ist, eine interne Meldestelle im Unternehmen einzurichten. In Konzernstrukturen kann überlegt werden, ob eine konzernweite zentrale Meldestelle errichtet wird, da dies vom Hinweisgeberschutzgesetz ermöglicht wird. Ebenfalls müssen klare Vorgaben im Unternehmen erlassen werden, wie man verfahrenstechnisch mit Meldungen von Hinweisgebern umgeht. Falls bereits eine Meldestelle und Vorgaben hinsichtlich des Umgangs mit Meldungen im Unternehmen bestehen, muss geprüft werden, ob diese im Einklang mit den Regelungen des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes stehen.

In Unternehmen mit Betriebsrat ist regelmäßig ein längerer Vorlauf einzuplanen. Dem Betriebsrat stehen bei der Ausgestaltung des Hinweisgebersystems Mitbestimmungsrechte zu, sodass die Betriebsparteien hier eine Betriebsvereinbarung abschließen müssen.

Ist die Identität des Whistleblowers bekannt, könnte womöglich bereits seine Nichtberücksichtigung bei einer anstehenden Beförderung, bei einer Versetzung oder auch die bloße Nicht-Verlängerung seines befristeten Arbeitsvertrags als „Repressalie“ gewertet werden, mit der Folge, dass der Arbeitgeber aufgrund der Beweislastumkehr beweisen muss, dass dies gerade keine Benachteiligung des Whistleblowers wegen der von ihm abgegebenen Meldung war. Gelingt dieser Entlastungsbeweis nicht, drohen Schadensersatzansprüche des Whistleblowers und Bußgelder.

gelesen in: HAUFE News vom 16.12.2022