Am 17.12.20 hat der Bundestag das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts verabschiedet. Es soll am 01.01.21 bereits in Kraft treten. Für das Inkrafttreten sind allerdings noch einige formale Akte notwendig, wie z.B. Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und Veröffentlichung im Bundesanzeiger 

 

insolvenz2

 

Die vollständige Fassung des „Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz“ (SanInsFoG) finden Sie unter folgendem Link: 

https://lpscdn.linklaters.com/-/media/files/document-store/pdfns/2020/december/201215_vorschlag_rechtsausschuss_bundest_begrundung.ashx?rev=dc4ca89d-3129-4fae-bdae-b2a43ac73521&extension=pdf 

 

Bereits im März 2019 hat das EU-Parlament die Richtlinie zum künftigen „Präventiven Restrukturierungsrahmen″ beschlossen. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, einen präventiven Restrukturierungsrahmen (auch „vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren″ genannt) zu schaffen. Dieser soll Unternehmen die Möglichkeit geben, außerhalb des Insolvenzverfahrens Sanierungsmaßnahmen unter schützenden Bedingungen in einheitlicher Weise mit den Beteiligten abzustimmen und umzusetzen, ohne dass es zwingend der Herstellung eines Konsenses unter den Betroffenen bedarf oder einzelne Beteiligte das Vorhaben blockieren können.  

 

Allerdings wurde mit der Streichung der Möglichkeit der Vertragsbeendigung (z.B. langfristige Mietverträge) für Schuldner wichtige Instrumente aus dem Gesetzentwurf noch gestrichen. Gerade für den COVID-19-gebeutelten Einzelhandel wäre dieses Instrument häufig ein Erfolgsgarant gewesen.  

 

Zugleich wurde die teilweise und vorübergehende weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die auf die Auszahlung von November- und Dezemberhilfen warten, sowie die Erleichterungen für COVID-19-bedingt insolvente Unternehmen, beschlossen. 

 

Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen 

 

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bietet einen von dem Insolvenzverfahren unabhängigen gesetzlichen Rahmen zur Sanierung von Unternehmen ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ist nicht als integriertes Verfahren – etwa nach dem Vorbild der früheren Vergleichsordnung – konzipiert, sondern als ein Rahmen von Verfahrenshilfen, welchen die Schuldnerin im Zuge eines von ihr verfolgten Restrukturierungsvorhabens – grundsätzlich ohne formale Verfahrenseröffnung und unabhängig voneinander – in Anspruch nehmen kann. 

 

Kernelement ist der RestrukturierungsplanHierfür werden die Planbetroffenen in Gruppen eingeteilt (z.B. Lieferanten, Arbeitnehmer). Für die Annahme des Restrukturierungsplans ist grundsätzlich erforderlich, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens 75% der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen (das Stimmrecht ist abhängig vom Betrag der Restrukturierungsforderungen). Es ist aber auch möglich, dass die Zustimmung einzelner Gruppen ersetzt wird (§§ 26-28 StaRUG). Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen kann also gegen den Willen einzelner Gläubiger umgesetzt werden. Ausgenommen hiervon sind allerdings unter anderem Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung. 

 xx

Außergerichtliches Verfahren, aber Einbeziehung des Restrukturierungsgerichts möglich 

 

Die Ausarbeitung und Abstimmung über den Restrukturierungsplan erfordern grundsätzlich keine gerichtliche Beteiligung. Nur die sogenannten Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens erfordern eine Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht und dessen Tätigwerden: 

  • die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung), 
  • die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung), 
  • die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung) und 
  • die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung). 

 

Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten als Regelfall? 

 

Die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten soll nur im Ausnahmefall notwendig sein, ansonsten auf Antrag der Schuldnerin oder von mindestens 25% der Restrukturierungsgläubiger einer Restrukturierungsgruppe erfolgen. Allerdings ist sie u.a. dann notwendig, wenn bspw. Rechte von Verbraucherinnen oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden. 

 

Neue Gerichtszuständigkeit: das Restrukturierungsgericht 

 

Das StaRUG führt eine neue Gerichtszuständigkeit für die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ein: das Restrukturierungsgericht. Das Restrukturierungsgericht ist grundsätzlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. Dies bedeutet eine höhere Verfahrenskonzentration als bei Insolvenzverfahren. In Insolvenzsachen ist bislang in der Regel dasjenige Amtsgericht als Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat. 

 

Sanierungsmoderation im Vorfeld des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens 

 

Unabhängig vom Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen eröffnet § 94 StaRUG der Schuldnerin die Möglichkeit, im Falle von wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten eine gerichtlich bestellte Sanierungsmoderatorin in Anspruch zu nehmen. Diese soll als unabhängige, in Sanierungs- und Restrukturierungsfragen sachkundige Person bei der Ausarbeitung einer Sanierungslösung unterstützen. 

 

Moderate Verschärfung der Haftung für Geschäftsleiter 

 

§ 1 StaRUG etabliert eine rechtsformunabhängige Pflicht von Geschäftsleitern zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern. 

 

Ab Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht muss die Geschäftsleitung nach § 32 Abs. 1 StaRUG die Restrukturierungssache mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführerin″ betreiben und Maßnahmen unterlassen, die das Restrukturierungsziel gefährden. Sie hat hierbei auch die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren. Die Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen gilt nicht ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit, sondern erst ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache. 

 

Im Gegenzug sollen die Geschäftsleitungen aber auch entlastet werden: Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, ziehen nunmehr trotz Vorliegens einer Überschuldung keine Haftung nach (§ 15b InsO).  

 

Verhältnis Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen und Eintritt der Insolvenzreife 

 

Tritt nach einer Anzeige einer Restrukturierungssache beim Restrukturierungsgericht Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, ist dies dem Restrukturierungsgericht anzuzeigen. Diese Regelung ist unter anderem deshalb erforderlich, weil während der Dauer der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist. Die Anzeige der zwingenden Insolvenzantragsgründe ersetzt dann die Insolvenzantragsstellung. Das Restrukturierungsgericht hat nach Anzeige der Insolvenzreife die Möglichkeit, die Restrukturierungssache aufzuheben. 

 

Änderungen des geltenden Insolvenzrechts 

 

Daneben enthält das SanInsFoG weitere Änderungen, die die Insolvenzordnung selbst betreffen: 

 

Sind mindestens zwei der Kriterien des § 22a Abs. 1 InsO (mind. EUR 6 Mio. Bilanzsumme, mind. EUR 12 Mio. Umsatz, mind. 50 Arbeitnehmer) erfüllt, soll der Schuldnerin nunmehr ein Anspruch auf ein Vorgespräch mit dem zuständigen Insolvenzgericht gewährt werden. Dies kann hilfreich zur Klärung von entscheidenden Verfahrensfragen vor Insolvenzantragstellung sein. 

 

Des Weiteren werden die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung deutlich präzisiert und damit auch erhöht. Der Gesetzgeber verspricht sich hierdurch, dass das Verfahren noch stärker an die Gläubigerinteressen anknüpft. Die Eigenverwaltung soll so durch gut vorbereitete Schuldnerinnen künftig weiter gestärkt werden. 

 

Um die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung künftig deutlicher abgrenzen zu können, werden durch das SanInsFoG unterschiedliche Prognosezeiträume festgelegt: Der Prognosezeitraum der drohenden Zahlungsfähigkeit beträgt nun 24 Monate (§ 18 Abs. 2 InsO-E), derjenige der Überschuldung zwölf Monate (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO-E). Auch soll so der Rechtsunsicherheit bei einem langen Prognosezeitraum entgegengewirkt werden. 

 

Präventive Sanierung aussichtsreich!? 

 

Aus Sicht der Praxis ist es zu begrüßen, kriselnden Unternehmen mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen die realistische Möglichkeit zur Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens – und damit auch außerhalb des Stigmas des Insolvenzverfahrens – zu eröffnen. Diese Möglichkeit ist umso wertvoller, da eine Veröffentlichung von gerichtlichen Beschlüssen nur auf Antrag der Schuldnerin erfolgen soll. 

 

 

SABU-Modereport

Trends & Abverkäufe

Melden Sie sich jetzt an: 30. Juli um 18.00 Uhr