Von Bluesign bis ZDHC: Das kann man an nachhaltigen Siegeln für Textilien ablesen

Mit der zunehmenden Bedeutung von nachhaltiger Produktion wächst auch die Flut der nachhaltigen Siegel für Textilien. Doch wofür steht welche Zertifizierung? Ein Überblick.

 

Am 24. Oktober kam die Wahrheit ans Licht. Auf dem Sporthandelskongress der SAZ in München diskutierten Branchenkenner über Nachhaltigkeit in der Sportartikelindustrie. Das Fazit: Obwohl bereits viele Meilensteine in puncto Nachhaltigkeit erreicht wurden, ist der Wissensstand bei Verbrauchern und auch Händlern und Verkäufern noch lückenhaft. Die Marken bemühen sich redlich, über ­ihre nachhaltigen Maßnahmen zu berichten – doch das Interesse, mehr darüber zu erfahren, ist zum Teil gering. Ein Grund liegt klar auf der Hand und wird von Händlern oft genannt, wenn sich die Diskussion um nachhaltige Verkaufsargumente dreht: Bei einer Flut an unterschiedlichen Nachhaltigkeitsbemühungen ist es fast nicht mehr möglich, einen Überblick zu behalten. Wie nachhaltig ist ein Produkt oder eine Firma wirklich? Schont das Produkt die Umwelt, oder wird Greenwashing betrieben? Eine Hilfestellung, um sich bei diesen Punkten besser orientieren zu können, bieten Nachhaltigkeitssiegel und Zertifikate, die wir hier für Sie in Kategorien gegliedert zusammengestellt haben.

 

In der Textilproduktion ist nachhaltiges Handeln sehr vielschichtig und sollte alle Schritte der Produktionskette einschließen – vom Rohstoff, aus dem Fasern und Stoffe gewonnen werden, über die Verarbeitungsschritte bis hin zum Stoff und zur Produktion der Bekleidungsteile in den Fabriken. Und es sollten alle Aspekte vom Schutz der Umwelt über die Einsparung von Ressourcen bis hin zu den sozial gerechten Standards für die Arbeiter und dem Tierwohl im Blick behalten werden.

 

Die einzelnen Möglichkeiten, Materialwahl und Stoffproduktion nachhaltig zu gestalten, finden Sie ab Seite 10. Wie diese zertifiziert sein können und was die wichtigsten Siegel bedeuten, lesen Sie hier.

 

Siegel für kreislauffähige Textilien

 

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Quelle: Cradle to Cradle

Beginnt man bei der Wahl der Rohstoffe für Fasern, Garne, Beschichtungen und Membranen, so ist Sortenreinheit unter nachhaltigen ­Gesichtspunkten sicherlich das Nonplusultra. Denn dann kann ein Bekleidungsstück wieder bestmöglich recycelt werden. Solche kreislauf­fähigen Produkte können mit dem Siegel Cradle to Cradle zertifiziert werden. Ziel ist die Förderung eines Wirtschaftssystems ohne Abfall. Das heißt, dass alle Materialien, die in einem Produkt eingesetzt werden, wiederverwertet oder biologisch abgebaut werden können. Das Siegel deckt die Rohstoffproduktion und Herstellung ab und zeichnet Produkte aus, die umweltsichere, gesundheitlich unbedenkliche und kreislauffähige Materialien verwenden. Entwickelt wurde es bereits in den 1990er Jahren von dem deutschen Chemiker Dr. Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough. Dabei unterscheidet das Label zwischen technischen und biologischen Kreisläufen: Entweder werden die Rohstoffe als biologische Rohstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt, oder technische Rohstoffe werden kontinuierlich in Kreisläufen gehalten.

 

 

Siegel für Textilien aus recycelten Rohstoffen

 

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Quelle: Global Recycled Standard

 

Eine Methode, Ressourcen zu schonen, ist, für die Bekleidungsproduk­tion Fasern aus recycelten Rohstoffen (idealerweise aus Müll) zu verwenden. Recyclingfasern können aus Polyamid, Polyester oder Natur­fasern wie Baumwolle oder Wolle hergestellt werden, und aus indust­riellem Abfall (Pre-Consumer-Recycling) oder aus Haushaltsmüll (Post-Consumer-Recycling) bestehen. Welche spannenden neuen Materialien es auf dem Markt gibt, lesen Sie auf Seite 12. Ein Zertifikat, das nachhaltiges und umweltschonendes Recycling kennzeichnet, ist der GRS – Global Recycled Standard der NGO Textile Exchange. Der GRS überprüft dabei die Rückverfolgbarkeit der Materialien und die umweltfreundliche Produktion, der Fokus liegt auf der Herstellung der Fasern. Die Zwischenstufen der Verarbeitung und das Endprodukt werden nicht weiter kontrolliert. Ziel ist es, einen gleichbleibenden Produktstandard für Recyclingprodukte zu schaffen.
Der Recycled Claim Standard ist ein Chain-of-Custody-Standard, mit dem recycelte Rohstoffe über die gesamte Lieferkette hinweg nachverfolgt werden können. Damit sollen Angaben zu recycelten Inhalten bei diversen Produkten glaubwürdig gemacht werden können.

 

 

Siegel, die strenge Anforderungen an die Verwendung von Chemikalien stellen

 

Bluesign ist ein Nachhaltigkeitsstandard, der darauf abzielt, gefährliche Chemikalien entlang des gesamten Herstellungsprozesses zu vermeiden. Im Gegensatz zu anderen Siegeln bezieht Bluesign die zuliefernden Chemieunternehmen und die herstellende Textilindustrie mit ein. Produkte, die zu mindestens 90 Prozent in zertifizierten Fabriken verarbeitet wurden, dürfen das Bluesign-Siegel tragen. Umwelt­belastende Substanzen werden somit von Anfang an aus dem Fertigungsprozess ausgeschlossen, sodass das fertige Produkt strengen Verbraucherschutzanforderungen weltweit standhalten soll. Nachteil: Die Bluesign AG ist ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Unternehmen, keine NGO, und somit angreifbar.

 

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Quelle: Bluesign, Oeko-Tex

 

Oeko-Tex Standard 100: Der 1992 eingeführte Oeko-Tex Standard 100 ist ein weltweit einheitliches Prüf- und Zertifizierungssystem für textile Rohstoffe, Zwischenprodukte und Endprodukte in allen Produktionsstufen. Textilprodukte sind nur dann nach Oeko-Tex Standard 100 zertifiziert, wenn ausnahmslos alle Komponenten die geforderten Kriterien erfüllen.
STeP by Oeko-Tex ist ein Oeko-Tex-Zertifizierungssystem für Marken, Handelsunternehmen und Hersteller aus der Textilkette, die ihre Leistungen im Hinblick auf eine nachhaltige Produktion transparent kommunizieren möchten. Die Zertifizierung ist für Produktionsstätten aller Verarbeitungsstufen möglich, von der Faserherstellung über Spinne­reien, Webereien, Strickereien bis hin zu Veredelungsanlagen und ­Herstellern von konfektionierten Textilartikeln. STeP ersetzte den Vorgänger-Standard Oeko-Tex 1000.

 

ZDHC ist eine Liste chemischer Substanzen, deren Verwendung in verarbeitenden Unternehmen der Textil- und Schuhindustrie verboten ist. ZDHC wurde 2011 von sechs Bekleidungsmarken gegründet und besteht heute aus 75 Mitgliedern, die in drei Kategorien unterteilt sind.

 

 

Siegel für Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern

 

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Quelle: Global Organic Textile Standard (GOTS)

 

Der Global Organic Textile Standard (GOTS) ist der weltweit führende Standard für die Verarbeitung von biologisch erzeugten Naturfasern. Das Siegel ist vor allem für die Zertifizierung von Bio-Baumwolle bekannt, tatsächlich aber auf alle biologisch erzeugten pflanzlichen und tierischen Naturfasern anwendbar. Synthetisch hergestellte Fasern aus regenerativen Rohstoffen, wie zum Beispiel Viscose und Lyocell, fallen dagegen nicht darunter. Der Standard zertifiziert den gesamten Produktionsprozess von der Herstellung der Fasern bis zum Endprodukt, sowie die Lieferkette unter ökologischen und sozial verantwortlichen Kriterien. Grundsätzlich können nur Textilprodukte, die mindestens aus 70 Prozent biologisch erzeugten Naturfasern bestehen, das GOTS-Label erhalten.

 

 

Multilabel, die mehrere Stufen der Wertschöpfungskette berücksichtigen

 

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Quelle: Grüner Knopf. Vaude, Higg-Index, Nordic Swan

 

Grüner Knopf: Das staatliche deutsche Siegel „Grüner Knopf“, das sich noch in der Einführungsphase befindet, soll das Erkennen nachhaltiger Textilien erleichtern. Es stellt verbindliche Anforderungen, um Mensch und Umwelt zu schützen. Insgesamt müssen 46 anspruchsvolle Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden – von A wie Abwassergrenzwerte bis Z wie Zwangsarbeitsverbot. Kontrolliert wird das gesamte Unternehmen, nicht nur einzelne Produkte. Nachteil: Das Label ist nicht ­international verfügbar oder bekannt.

 

Green Shape: Der Outdoor- und Umweltpionier Vaude vergibt das „Vaude Green Shape“-Siegel als eine unternehmenseigene Zertifizierung. Das Siegel kennzeichnet Produkte, die aus nachhaltigen Materia­lien ressourcenschonend und fair hergestellt wurden. Bei der Zertifizierung wird der gesamte Produktlebenszyklus erfasst. Das Siegel basiert auf verschiedenen unabhängigen Standards, beispielsweise Bluesign, Global Organic Textile Standard (GOTS), EU Ecolabel forTextiles und Fair Wear Foundation (FWF). Nachteil: Green Shape kommt als firmen­eigenes Siegel nur bei Vaude-Produkten zum Einsatz.

 

Higg-Index: Der Higg-Index ist eine Reihe von Instrumenten zur Nachhaltigkeitsbewertung, die von der Sustainable Apparel Coalition entwickelt wurden, um die Auswirkungen der Textilproduktion in allen Schritten, von Produktionsanlagen bis zu Produkten und Marken, zu erfassen und zu bewerten. Der Index besteht aus mehreren Modulen. Ab Dezember 2017 wurde das Facility Environment-Modul (FEM 3.0) grundlegend geändert, weitere Module sind im Ausbau befindlich. Mitglieder können ihren Score, also die erreichte Punktezahl, veröffentlichen.

 

Das Ökolabel Nordic Swan ist ein freiwilliges Lizenzsystem in skandinavischen Ländern, das Unternehmen dabei unterstützen soll, nach­haltigere Produkte herzustellen und diese dem Verbraucher anzuzeigen. Es ist bekannt für seine strengen Richtlinien. Es gilt als das offizielle Umweltzeichen für die nordischen Länder, die EU-Blume ist das europäische Äquivalent.

 

 

Siegel, die soziale Aspekte und faire Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt stellen

 

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Quelle: Fair Wear Foundation

 

Fair Wear Foundation: Ziel der bereits 1999 gegründeten Multi-Stakeholder-Organisation Fair Wear Foundation (FWF) ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der globalen Bekleidungsindustrie. Der Fokus innerhalb der Lieferkette liegt vor allem auf der Konfektion, also den Orten, an denen die Stoffe zu Bekleidungsteilen zusammengenäht werden. Herzstück der FWF ist ein Kodex für Arbeitspraktiken und Arbeitnehmerrechte, der „Code of Labour Practices“, der folgende acht Punkte regelt:

  • Die Begrenzung der Arbeitszeit
  • Die freie Wahl des Arbeitsplatzes
  • Das Verbot von ausbeutender Kinderarbeit
  • Das Verbot von beruflicher Diskriminierung
  • Das Vorliegen eines rechtsverbindlichen Arbeitsvertrages
  • Das Vorliegen von sicheren und gesunden Arbeitsbedingungen
  • Uneingeschränkte Versammlungsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen
  • Die Zahlung eines existenzsichernden Lohnes

Die FWF vergibt keine Zertifikate, die Mitglieder können aber mit dem Logo werben. Eine Mitgliedschaft bei der FWF allein sagt allerdings noch nichts über den tatsächlichen Status hinsichtlich der sozialen Fairness eines Unternehmens aus. Die dauerhafte Mitgliedschaft ist jedoch daran gekoppelt, wie erfolgreich ein Mitglied den Kodex umsetzt. Gleichzeitig können besonders engagierte Mitglieder einen „Leader Status“ erreichen, wie zum Beispiel in der Outdoor-Branche Jack Wolfskin, Vaude oder Schöffel.

 

 

Siegel, die auf das Tierwohl achten

 

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Quelle: Responsible Down Standard

 

Responsible Down Standard (RDS): Diese Norm konzentriert sich auf die Einhaltung der jeweiligen nationalen Tierschutzbestimmungen und soll sicherstellen, dass die Daunen nicht von landwirtschaftlichen Betrieben stammen, die die Tiere durch Stopfen mästen oder lebendig rupfen. Die Daunengewinnung wird von der Farm, einschließlich Kollektiven, bis zu den verarbeitenden Unternehmen überwacht.
Weitere Siegel die auf das Tierwohl achten sind beispielsweise Responsible Wool Standard (RWS) und ZQ Merino.

 

gelesen in: SAZsport Newsletter vom 15.11.2019

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