Jungunternehmer „rettet“ Sportschuhe: Ein besonderer Service rund um die Sneaker

Mit Sneaker Rescue setzt Jungunternehmer Hagen Matuszak auf ein deutschlandweit einzigartiges Geschäftskonzept: Er hat sich auf die Reparatur von Sneakern spezialisiert. Inzwischen schicken bereits Kunden aus ganz Europa ihre Sportschuhe zu ihm.

 

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Die Reparatur von Sohlen gehört zu den häufigsten Aufträgen, die Sneaker Rescue bekommt. (Quelle: Sneaker Rescue )

 

 

Der Sneaker-Boom hält bereits einige Jahre an und scheint sich tendenziell immer noch zu steigern. Da ist es schon fast verwunderlich, dass niemand Hagen Matuszak mit seiner Geschäftsidee zuvorgekommen ist: Der 23-Jährige, der eigentlich gelernter Orthopädie-Schuhmacher ist, hat im letzten Jahr sein Unternehmen Sneaker Rescue (Berlin) gegründet und sich damit der Reparatur von Sneakern verschrieben. Mit seiner Arbeit möchte er auch einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten, denn viel zu oft werden Schuhe, die eigentlich noch zu retten sind, einfach weggeworfen.

 

SAZsport: Sneaker Rescue dürfte in Deutschland relativ einzigartig sein. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr Unternehmen komplett der Reparatur von Sneakern zu widmen?

 

Hagen Matuszak: Ich bin ausgebildeter Orthopädie-Schuhmacher. Nach meiner Lehre bin ich erst einmal in die Schweiz gegangen, um dort zu arbeiten und Erfahrung zu sammeln. Und als ich eines Tages total verstaubt an der Schleifmaschine stand, ist mir aufgefallen, dass keiner Sneaker repariert außer ich meine eigenen. Ich habe dann recherchiert, ob mein erster Eindruck wirklich richtig war, und dabei hat sich herausgestellt, dass sich tatsächlich noch niemand in Deutschland darauf spezialisiert hat. Da ich schon immer was Eigenes machen wollte, habe ich diese Geschäftsidee dann auch umgesetzt.

 

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Hagen Matuszak (23) ist gelernter Orthopädie-Schuhmacher. Mit Sneaker Rescue hat er seinen Traum von der Selbstständigkeit verwirklicht – und das mit einer Materie, die für ihn selbst eine große Leidenschaft ist. Quelle: Sneaker Rescue

 

 

SAZsport: Es gibt aber doch überall Schuhgeschäfte und Schuster, die Schuhe reparieren. Womit setzen Sie sich von diesen ab?

 

Matuszak: Die typischen Schuster sind im Durchschnitt leider meist über 60 Jahre alt; das ist kein Beruf, der junge Leute anspricht. Und ältere Schuhmacher sind oftmals eher mit Lederschuhen vertraut und mit dem, womit sie sich seit einigen Jahrzehnten jeden Tag auseinandergesetzt haben. Für Sneaker interessieren sie sich weniger. Ich dagegen trage die Schuhe eben auch selbst. Für mich sind Sneaker viel wichtiger als für einen älteren Schuhmacher, der Sneaker gar nicht als „richtigen Schuhe“ versteht. Diese Leute beherrschen ihr tradiertes Handwerk, aber sie sind nicht am Puls der Zeit, kennen die neuen Materialien nicht und versuchen deshalb auch nicht, bei Reparaturen so nahe wie möglich am original zu bleiben. Man darf da eben beispielsweise auch kein Glattleder als Velour-Ersatz nehmen oder andere seltsame Experimente durchführen, wie ich sie manchmal schon gesehen habe.

 

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Besonderen Wert legt Hagen Matuszek darauf, mit möglichst originalgetreuen Materialien zu arbeiten. Quelle: Sneaker Rescue

 

 

SAZsport: Dann liegt der Unterschied vor allem am Material, mit dem gearbeitet wird?

 

Matuszak: Ja, aber auch in der Art, wie „normale“ Schuster ihre Reparaturen ausführen. Man sieht der Arbeit an, ob der Schuster für das Material und die Schuhe eine gewisse Leidenschaft empfindet oder ob er eher frustriert einen Schuh nach dem anderen abarbeitet.

 

SAZsport: Was umfasst Ihr Leistungsportfolio ganz allgemein gesprochen?

 

Matuszak: Oft geht es darum, Löcher im Mesh zu flicken, durchgescheuertes Fersenfutter zu reparieren oder Schuhe neu zu besohlen. Wir können auch den kompletten Boden eines Schuhs austauschen, wenn der Kunde uns dafür ein Spenderpaar zur Verfügung stellt. Sowas machen die typischen Schuster eigentlich gar nicht. Wir bessern auch die Farbe aus, kümmern uns im Prinzip eben um alles, was an einem Sneaker kaputt gehen kann.

 

SAZsport: Wie sieht es denn mit Originalmaterialien für die Reparaturen aus?

 

Matuszak: Wir haben schon Kooperationspartner. Bei nachhaltigen Sneakern ist das beispielsweise Ethletic. Diese Marke stellt uns für Reparaturen auch Originalmaterialien zur Verfügung. Die namhaften Hersteller haben darauf leider noch keine große Lust. Das ist teilweise ja auch verständlich, denn sie wollen immer wieder neue Schuhe verkaufen. Doch früher oder später werden auch diese Hersteller sich noch mehr Gedanken um Nachhaltigkeit machen müssen. Wir denken auch daran, dort, wo wir die Originalmaterialien nicht bekommen, eigene für die Reparaturen zu entwickeln.

 

SAZsport: Ihr Unternehmen sitzt in Berlin, aber Sie nehmen Reparaturen aus ganz Deutschland und darüber hinaus an. Wie läuft das üblicherweise ab?

 

Matuszak: Wenn der Kunde uns online entdeckt hat, dann schickt er uns Fotos seiner Sneaker, insbesondere der Problemstellen, per E-Mail oder per Whats-App. Auf Basis dieser Bilder prüfen wir, ob eine Reparatur möglich ist und erstellen einen Kostenvoranschlag. Dann muss der Kunde die Schuhe nur noch zu uns schicken. Wir reparieren sie und senden sie zurück. Das ist also alles sehr unkompliziert.

 

SAZsport: Mit was für Reparaturen haben Sie es häufigsten zu tun?

 

Matuszak: Am häufigsten arbeiten wir an Patches für das Mesh-Material, weil Löcher dort sozusagen „unheilbar“ sind. Und gleich danach kommen die neuen Sohlen.

 

SAZsport: Wie lange arbeiten Sie im Durchschnitt an einem Paar Schuhe, zum Beispiel wenn die Sohle erneuert werden muss?

 

Matuszak: Bei einer Sohlenerneuerung sind das beispielsweise im Durchschnitt zwischen zwei und drei Stunden.

 

SAZsport: Und wie hoch sind die Kosten für eine Reparatur im Durchschnitt?

 

Matuszak: Durchschnittlich kann man mit etwa 50 Euro pro Paar rechnen. Der Rückversand ist da gleich inklusive.

 

SAZsport: Wie viele Aufträge müssen Sie denn abweisen, weil die Sneaker tatsächlich nicht mehr zu retten sind?

 

Matuszak: Die Quote liegt etwa bei zehn Prozent.

 

SAZsport: Sind es immer Einzelpersonen, die ihre Sneaker bei Ihnen reparieren lassen, oder bekommen Sie manchmal auch größere Aufträge?

 

Matuszak: Wir haben gerade erst einen Großauftrag bekommen: Da geht es um 40 Paar Sneaker, die eine Event-Agentur für das ganze Team reparieren lässt. Sonst sind es meist Privatpersonen, die aber auch schon mal mehrere Paar Sneaker auf einmal zur Reparatur geben. Pro Monat bearbeiten wir etwa 250 Paar Sneaker.

 

SAZsport: Woher kam der am weitesten gereiste Schuh?

 

Matuszak: Das waren Gucci-Sneaker aus London. Der Kunde hat sich wohl nicht getraut, damit zu einem normalen Schuhmacher zu gehen. Das reicht dann aber auch von der Entfernung her. Noch weitere Wege sind doch gar nicht sinnvoll oder auch nachhaltig. Es haben uns auch schon Leute aus Amerika kontaktiert, die ihre Schuhe zu uns senden wollten. Aber es muss doch in Amerika noch irgendwo einen vernünftigen Schuhmacher geben. Insgesamt ist es so, dass 40 Prozent der Schuhe, die wir reparieren, aus Berlin kommen und der Rest vor allem aus Deutschland.

 

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Aus Alt mach Neu: Im Rahmen der Raparatur wird mitunter auch die Farbe aufgefrischt. Quelle: Sneaker Rescue

SAZsport: Die Originalpreise von Sneakern variieren heute stark. Ab welchem Schuhpreis rentiert sich Ihrer Meinung nach eine Reparatur überhaupt?

 

Matuszak: Den Kaufpreis kann man nicht mehr mit dem Wert eines Sneakers vergleichen, den dieser möglicherweise für seinen Träger hat. Sneaker sind zum Großteil eine sehr persönliche Sache, der jeder einen eigenen Wert zuspricht. Auch wenn das Paar vielleicht mal nur 30 Euro gekostet hat, kann es für den Besitzer einen viel größeren Wert haben, weil er damit vielleicht schon an besonderen Orten unterwegs war und er es total liebt. Da rentiert sich für den Kunden die Reparatur immer. Bei der Motivation für eine Reparatur spielen meist zwei Aspekte zusammen: Zum einen handelt es sich um Lieblingsschuhe, die der Kunde nicht missen möchte, zum anderen möchte der Kunde nachhaltig agieren und etwas, das man reparieren kann, nicht einfach wegwerfen. Das ist eine gute Kombi.

 

SAZsport: Wie sieht Werbung bei Ihnen aus? Wie gewinnen Sie Neukunden?

 

Matuszak: Das ist ehrlich gesagt eine gute Frage, weil ich mir über klassische Werbung noch nicht so viele Gedanken gemacht habe. Meist läuft das über Empfehlungen und natürlich durch die starke mediale Aufmerksamkeit, die wir gerade bekommen. Aktuell kommen viele Magazin und sogar Fernsehsender vorbei und wollen über uns berichten

 

SAZsport: Kooperieren Sie auch mit anderen Unternehmen, zum Beispiel Sporthändlern oder spezialisierten Sneaker-Händlern?

 

Matuszak: Im Moment läuft eine Kooperation mit Sir Plus, einem Online-Supermarkt, der auch stationäre Geschäfte führt und darauf spezialisiert ist, überschüssige Lebensmittel, die bei Herstellern oder Händlern übrigbleiben, zu retten und günstig zu verkaufen. Wie Sir Plus ist auch uns Nachhaltigkeit extrem wichtig, weshalb die Kooperation so gut passt. Wir haben jetzt in den vier Berliner „Rettermärkten“ von Sir Plus Sneaker-Rescue-Boxen aufgestellt. Dort können Kunden Sneaker, die wir reparieren sollen, einfach einwerfen. Wir sammeln diese ein, bringen die Schuhe auf Vordermann und der Kunde kann sie dann im „Rettermarkt“ wieder abholen. Mit Sneaker-Händlern gibt es leider noch keine Zusammenarbeit und bei den Herstellern arbeiten wir bislang nur mit Ethletic zusammen. Wir wären da für jede Kooperation offen. Wir würden auch gerne mit dem ein oder anderen großen Hersteller zusammenarbeiten. Die Idee: eine nachhaltige Sneaker-Linie, bei der die erste Reparatur, die über uns läuft, kostenlos ist. Und wir bekommen vom Hersteller dafür die Originalmaterialien gestellt. Das wäre eine tolle Nachhaltigkeitsmaßnahme.

 

gelesen in:  SAZsport von Eva Christian vom 06.08.2019

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